Brief an das Christkind

Liebes Christkind!

Du wirst ja heuer persönlich in Innsbruck einziehen, deshalb erlaube ich mir, mich diesmal an Dich zu wenden, obwohl ich schon längst den Kinderschuhen entwachsen bin. Künstlerisch einwandfrei wird Dein Einzug in die Altstadt sein, hat die Frau Bürgermeisterin versprochen. Ich habe zwar nicht die geringste Ahnung, was sie damit gemeint haben könnte, Du wahrscheinlich auch nicht. Aber vielleicht wollte sie uns damit sagen, dass Du nicht nur dazu da bist, für ein paar Stunden strahlende Kinderaugen zu produzieren, sondern dass Du auch ein Herz hast für die Kunst- und Kulturschaffenden in dieser Stadt.
Die Wunschliste wäre lang. Wir bemühen uns alle redlich, das muss ich vorrausschicken, nicht dass Du meinst, wir würden unsere Hände in den Schoss legen und nur auf Deinen Einzug warten und Dir unseren Wunschzettel in die Hand drücken um auf Erledigung von höherer (himmlischer) Stelle zu warten. Ich möchte Dich auch nicht mit Kleinigkeiten belästigen. Aber bei näherer Betrachtung sind es gerade diese Kleinigkeiten, die einem die Kulturarbeit oft so vermiesen. Liebes Christkind, Du hast gar keine Begriffe wie kompliziert alles geworden ist. Um einen kleinen Kulturbetrieb, wie wir einer sind, zu schmeissen, müsste man heutzutage schon ein Jurist mit Spezialausbildung in Vereinsrecht, Baurecht, Gewerberecht und Veranstaltungsrecht sein, ein Steuerberater dazu, mit Spezialkenntnissen in Fragen der Doppelbesteuerungsabkommen (da kennt sich scheinbar nicht einmal das Finanzamt aus), ein Bankfachmann, ein Betriebs- und ein normaler Wirt, ein Controller, ein Eventmanager, eine professionelle PR Agentur, eine Redaktion, ein Grafikbüro, ein Diplomat, ein Lobbyist, ein Plakatierer, eine Putzfirma, ein Techniker, ein Hausmeister eine In und vieles mehr. Und dann müsste man natürlich immer am Laufenden sein, immer genau Bescheid wissen um die neusten Strömungen auf der Höhe der Zeit, sonst kommt das Publikum nicht mehr. Das ist nämlich heutzutage auch schon ganz schön anspruchsvoll.

Liebes Christkind, wie Du sicher beobachtet hast, sind wir bei aller geforderten Professionalität mit viel Enthusiasmus rund um die Uhr im Einsatz um den Laden zu aller Zufriedenheit am Laufen zu halten und ohne dabei etwas zu verdienen. Das ist leider so, weil wir sind ja als Verein gemeinnützig, sonst wäre wahrscheinlich alles nochmals doppelt so kompliziert.
Es wäre sicher zu viel verlangt, uns von Dir eine generelle Vereinfachung und viel mehr Geld und viel mehr Urlaub in diesem Wust von Gesetzen und Vorschriften und in diesem Dschungel von Ämtern, Behörden und Abteilungen zu wünschen. Da wärst wahrscheinlich selbst Du machtlos, und ich glaube, wir machen es eh ganz gut und vor allem mit viel Freude und Erfolg.
Und weil wir gerade bei der Freude sind, da gäbs schon etwas, was wir uns wirklich von Dir wünschen, und ich glaub da sind wir bei Dir richtig, denn Freude ist ja Dein Hauptmetier.

Liebes Christkind, wir würden so gerne auch manchmal tanzen!
Du wirst Dich jetzt wahrscheinlich wundern, aber das mit dem Tanzen ist eine abstruse Geschichte. Das Komische dabei ist, dass wir, wenn wir sonst alles gleich machen wie immer, uns aber ein paar Schritte zur Musik auskommen, dann ist alles anders und wir sind plötzlich kein Kulturveranstalter mehr. Kannst Du Dir das vorstellen? Das wäre zwar nicht weiter schlimm, aber wir müssen dafür sehr viel Geld bezahlen an die Stadt und an die AKM. Um Dich jetzt nicht weiter zu verwirren lass Dir erklären: Die Stadt Innsbruck befreit uns von der Vergnügungssteuer, soferne wir ein Kulturverein sind und eine kulturelle Veranstaltung ausrichten. Das wäre zum Beispiel ein Konzert mit einer tollen Band oder eine Performace mit einem tollen DJ. Angenommen, die wären jetzt so toll, dass es den einen oder anderen Besucher vom Sessel reisst und er beginnt aufzutauen und sich zu bewegen, dann wäre das gleiche Konzert plötzlich eine nicht steuerbefreite Tanzbelustigung. Dasselbe gilt für die Abgaben bei der AKM. Das wird dann so empfindlich teuer, dass sich so ein Abend mit all den anderen Ausgaben und Honoraren nicht mehr rechnet und unsere jungen Veranstalter bei allem ehrenamtlichen Einsatz ein sattes Minus einfahren und sich in Zukunft überlegen müssen, ob sie so einen Abend noch einmal riskieren. Liebes Christkind, das ist jetzt nur die vereinfachte Darstellung, dazwischen liegen noch eine ganze Menge Feinheiten und Detailabsurditäten, die ich Dir ersparen will, damit Du Dich nicht zu guter letzt noch ärgern anfängst. Nur noch soviel: Unsere jungen Bands und Djs bekommen von diesen Abgaben speziell von der AKM nichts zurück, weil sie noch unbekannt sind und ihre Werke noch nicht geschützt sind. Gerade deshalb veranstalten wir sie ja, damit sie vielleicht auch einmal berühmt werden... Wenn also bei uns unbekannte Musiker so gut sind, dass es unser Publikum so vom Hocker reisst dass es vor Begeisterung nicht mehr still stehen kann , dann finanziert das Leute wie Dj Ötzi oder Hansi Hinterseer, und das ist doch irgendwie ungerecht. Ausserdem würden wir selbst, bei soviel Arbeit und Mühe unseren Stress gerne manchmal heraus- und uns aus Freude über einen gelungenen Abend einmal gehen lassen dürfen und einfach nichts denken müssen und nur tanzen. Das sagen übrigens sogar die Mediziner und die Psychologen, dass sowas äusserst gesund ist für den Körper und die Seele, aber was sag ich denn Dir das, Du weißt das ja sowieso.

Liebes Christkind, du bist auch einmal älter geworden. Deswegen mag ich Dich ja so gern. Hast ja dann auch allerhand aufgeführt und erlebt. Für Deinen Einzug in Innsbruck wünsch ich Dir alles Gute und viel Erfolg. Wie Du das so hingekriegt hast mit den Genehmigungen, polizeilichen Absperrungen, der Vergnügungssteuer und der AKM. Alle Achtung. Und sag mir jetzt bitte nicht, dass all die Urheberrechte von den Komposititionen für die Turmbläsern und die Weihnachtslieder der Wiltener Sängerknaben schon seit ewig verjährt sind. Ich weiss schon, dass die nur fünfzig Jahre halten. Von Stille Nacht Heilige Nacht will ich ja gar nicht reden.
Liebes Christkind, bitte mach was! Wir waren das ganze Jahr wirklich brav und fleissig, wir würden halt nur so gerne auch manchmal tanzen.

Ulli Mair