Am Anfang war da dieses undurchsichtige Konglomerat. Ein bunter Haufen umtriebiger Menschen, die durch einen Ort oder irgendeine Idee verbunden schienen. Ich hatte keine Ahnung, was dahinter steckte, verstand nicht, wieso jeder Abend von einem anderen kryptischen Namen „gehostet“ wurde, wie einmal Electronic und dann Punk, einmal Metal und dann wieder Folk auf dem Programm stehen konnten. Überhaupt diese nebulösen Bezeichnungen: mal etwas länger wie Alien Explorer, Choke Media Empire oder Dirty Dancing Crew; mal kürzer wie flz, flim oder DKK. „Was soll das?“, dachte ich mir. Wie viele andere ging ich einfach ins p.m.k, nicht in die p.m.k, ohne zu wissen, was sich dahinter verbarg.
All das wurde anders, als ich nicht mehr als Teil des Publikums, sondern als Forscher kam. Ich stellte mich als Sozialwissenschaftler vor, der die Organisationsstrukturen dieser Plattform untersuchen wollte und wurde dabei sehr wohlwollend aufgenommen. So lernte ich die Menschen kennen, die hinter der p.m.k standen, führte Gespräche mit ihnen, beobachtete sie in ihrer Praxis, bekam Einblick in ihre Umgangsformen. Mit jedem Gespräch stieg in mir das Bewusstsein für die Einzigartigkeit dieses Kollektivs, die unglaubliche Komplexität und vor allem die Dynamik, die sich hier abspielten. Was zuerst noch undurchsichtig und unentwirrbar schien, wurde jetzt zunehmend klarer – ohne deswegen an Spannung zu verlieren. Da waren Menschen, die einen anregenden Gedankenaustausch hervorbrachten, Menschen, die, jeder für sich, ein spezifisches Bewusstsein hatten, ja, einen eigenen Stolz, nicht irgendwie identisch mit den anderen zu sein und doch organisiert inmitten einer gemeinsamen Identität. Individualität und Gleichheit erhielten hier völlig neue Bedeutungen. Kein artifizielles Anders-Sein, kein prätentiöses Kulturgehabe, keine übertriebene Selbstpräsentation. Allein diese Sammlung und Produktion von Individualität qua Vielfalt wurde zum bewundernswerten Erlebnis, das in seiner Komplexität nur schwer zu fassen war. Die p.m.k – eine irreduzible Vielfalt und doch zugleich ein starkes Netzwerk.
Mit zunehmendem Einblick nehme ich auch anders als zuvor Teil an diesem Gefüge. Ich gehe heute nicht mehr zu dem und dem Konzert oder zu der und der Veranstaltung von dem und dem Verein. Nein, die p.m.k hat sich inzwischen als Ort verselbstständigt. Es sind nicht einzelne Darbietungen, sondern die Menschen, die dort sind, die das Ganze ausmachen und zu einem Schmelztiegel, einer Drehscheibe, einem verlängerten Wohnzimmer werden lassen. Gehe ich heute zu einem Death-Metal-Konzert, dann ist es morgen vielleicht ein Filmabend, übermorgen eine Elektronikveranstaltung. Jeweils völlig andere Kunst, völlig anderes Publikum, andere Leute vor und hinter der Bar. Das Ganze wäre so in ein- und demselben Lokal andernorts nur schwer vorstellbar. Und doch, die unterschiedlichen Leute, die hier herkommen, haben etwas Gemeinsames. Ich würde sagen, es verbindet sie etwas, das über den physischen Ort hinausgeht, wenn auch noch nicht in dem Sinne, dass sie aktiv zusammenlaufen, sehr wohl aber, dass sie eine radikale Offenheit auszeichnet.
Ich gehe auf Konzerte, deren Musik ich mir sonst wohl nicht anhören würde. Ich sehe dieselben Menschen am einen Tag zu Techno ausflippen, am nächsten zu einem Rockkonzert rocken, anderntags wieder zu einer Metal-Combo headbangen. Und ich stelle fest: Ja, das muss sie sein, die gelebte Neugierde, die gelebte Vielseitigkeit. Und merke, wie mir dieser Ort ans Herz wächst, je vertrauter er wird, wie ich mich auf die Leute freue, wenn ich sie unverhofft wieder sehe – es ist geradezu eine Art anonymes Vermissen. Bei all dem spüre ich, wie das Netzwerken passiert, weil ja auch alle irgendwie alles machen, nicht nur Veranstalter sind, sondern auch DJs, Musiker, Schriftsteller, Plattenladenverkäufer, Sozialarbeiter, Studenten, Graphiker, Designer, Galeristen, Labelbetreiber. Weil sie immer gerade an einer Sache dran sind, irgendetwas zuhause am Computer austüfteln, irgendwelche Verbindungen herstellen, Gespräche führen, Projektskizzen machen, Möglichkeiten ausloten. Weil sie Innsbrucker sind, Südtiroler, Vorarlberger, Wiener, Linzer, egal woher. Und natürlich, weil Innsbruck eine so angenehm überschaubare Stadt ist: kennt man zehn Leute, kennt man indirekt die halbe Stadt. Man sitzt im Kaffeehaus und läuft sich über den Weg, trifft sich in der Kebabbude, am Sparkassenplatz, auf dem Innsteg oder gar auf der Alm. Alles geht so einfach, unkompliziert, und in dem Moment, wo etwas passiert, merkt man gar nicht, dass es eigentlich mehr ist; dass hier eine Tür geöffnet wird, ein neuer Raum, Möglichkeiten. Kaum kommt man unter Leute, stellt man schon etwas auf die Beine, egal, ob sich das dann Arbeit, Projekt, Job oder Freundschaft nennt. Ja, und all das, dieses Lebendige, Offene und Spannende findet Einzug in die PMK, hat in ihr nicht nur einen zentralen Knotenpunkt, sondern auch einen treibenden Generator. Sie wird getragen von dieser positiven und optimistischen Grundstimmung von Menschen, die etwas in die Welt setzen, aus sich heraus Realität schaffen wollen.
All diese Einblicke und Eindrücke habe ich versucht, in meine Forschungsarbeit über die Arbeits- und Organisationsformen von Kulturschaffenden einfließen zu lassen. Es geht darin um das „Organisieren von Freiheit“, um Praktiken der Freiheit also, die sich in den Lebenswelten, Praxisbezügen, Bedeutungshorizonten und Handlungszusammenhängen der Menschen rund um die p.m.k artikulieren. Ich weiß nicht, ob diese Konzeptionalisierung der Realität gerecht wird, ich hoffe es zumindest. Naturgemäß hinkt die Theorie der Praxis immer nach, umgekehrt aber kann die Theorie auch wieder neue Perspektiven eröffnen und Impulse geben. Sollte das durch meine Forschungsarbeit auch nur ansatzweise gelungen sein, dann wäre es zumindest ein symbolischer Dank für jene Bereicherung, die ich durch das Gefüge der p.m.k erfahren durfte.
Mario Vötsch
Über den Autor:
Mario Vötsch ist wissenschaftlicher Projektmitarbeiter am Institut für Organisation und Lernen der Universität Innsbruck. Vor kurzem hat er eine umfangreiche Fallstudie zur p.m.k mit dem Titel „Organisieren von Freiheit: Nomadische Praktiken im Kulturfeld“ fertig gestellt.