„Organisieren von Freiheit“ beleuchtet anhand der Struktur der p.m.k die Arbeits- und Organisationsformen freischaffender Kulturarbeiter
und zeigt, wie Menschen gemeinsam ihre Handlungsfreiräume entfalten.
Die freie Kulturszene Innsbrucks hat in den letzten Jahren eine Fülle von Akteuren und Impulsen hervorgebracht, die im Spannungsfeld zwischen autonomer und kommerzieller Kunst einem lebendigen kulturellen Schaffen nachgehen. Ein Brennpunkt dieser zeitgenössischen Kulturarbeit ist die „Plattform Mobile Kulturinitiativen“ (p.m.k), ein Netzwerk von knapp dreißig unabhängigen Vereinen, deren Tätigkeitsfelder von Musik und Film über Mediendesign und Videoart bis hin zur Etablierung kritischer Diskussionskultur reicht. Das
besondere dieser Plattform ist ihre Organisationsstruktur: Die Kulturschaffenden lenken und verwalten in eigenverantwortlicher Regie ihren gemeinsamen Veranstaltungsort. Sie entscheiden basisdemokratisch, ohne dabei die Vielfalt ihrer Ausrichtungen einzuebnen.
Dieser Organisationsform ist eine soeben erschienene Studie der Universität Innsbruck gewidmet, die zum Einen das Spezifische der p.m.k untersucht, zum Anderen aber auch die allgemeine Dimension von Kulturarbeit aufzeigt, die daraus hervorgeht. Unter dem Titel „Organisieren von Freiheit: Nomadische Praktiken im Kulturfeld“ lotet der Autor Mario Vötsch die Bedingungen, Möglichkeiten und Herausforderungen kulturellen Schaffens im Zeitalter von Projektarbeit und Netzwerkkultur aus. Hervorgegangen aus einem mehrjährigen
Forschungsprojekt des Instituts für Organisation und Lernen der betriebswirtschaftlichen Fakultät, entfaltet die Studie eine detaillierte
Beschreibung der Arbeits- und Organisationsformen in der p.m.k, die zeigen sollte, wie und wodurch sich die Akteure ihre jeweiligen Handlungsfreiräume schaffen. Damit verknüpft der Autor eine übergreifende Fragestellung, wonach der Begriff der Freiheit nicht nur als Ideal, sondern auch als konkrete Praxis zu verstehen ist. Mit anderen Worten: Freiheit wird nicht mehr in einer abstrakten Norm, sondern im Alltag des Handelns verortet. Eine besondere Form dieser „Freiheitspraxis“ stellt der Autor unter den nomadischen Praktiken vor. Sie
verweisen nicht nur auf ein spezifisches Verständnis von Arbeit und Eigentum, sondern auch auf einen bestimmten Lebensstil. Unter Bezug auf vorrangig französische Vertreter zeitgenössischer Philosophie charakterisiert Vötsch nomadische Praktiken als selbstbestimmten, eigenverantwortlichen Lebensvollzug, dessen Freiheit allerdings nie mit Unabhängigkeit oder Autonomie zu verwechseln ist. Vielmehr entwirft das „Organisieren von Freiheit“ einen anspruchsvollen Denkhorizont, durch den Organisation als selbst gestaltete
Aktivität zu begreifen ist anstatt als auferlegte Pflicht. Es geht also nicht um eine Ordnung, aus der heraus sich Freiheit bestimmt, sondern um eine Organisation, durch die sie Form annimmt.
Die Studie verknüpft neueste Erkenntnisse der Organisationsforschung mit soziologischen und philosophischen Konzeptionen, nicht ohne den konkreten Untersuchungsgegenstand aus dem Auge zu verlieren. Sie richtet sich damit sowohl an Vertreter wissenschaftlicher Fachdisziplinen als auch an handelnde Akteure im Kulturfeld. Darüber hinaus steht die Publikation auch in einem gesellschaftspolitischen
Interesse, insofern sie einen kritischen Beitrag zu einer Diskussion leistet, die um zentrale Kategorien wie Kultur, Organisation und Freiheit
kreist. Sie richtet sich an eine breitere Öffentlichkeit, für welche die Bedingungen und Möglichkeiten von gelebter Freiheit eine nachhaltige Herausforderung darstellen.
Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Organisation und Lernen der Universität Innsbruck. Seine Lehr- und Forschungstätigkeiten liegen im Bereich empirischer Organisationsforschung und Critical Management Studies.
Mario Vötsch: Organisieren von Freiheit: Nomadische Praktiken im
Kulturfeld; VS-Verlag: Wiesbaden 2010, 316 S., 39,95 €.
Endlich ist es soweit: die Studie, an der Mario Vötsch fast zwei Jahre lang gearbeitet hat, ist in Buchform erschienen. Ausgangspunkt des Buches ist die Struktur der p.m.k, anhand welcher Mario Vötsch Arbeits- und Organisationsformen in der freien Kulturszene beleuchtet. Der Autor geht dabei einer grundsätzlichen Frage nach: Wie lässt sich Freiheit als Praxis denken? Und wie entfaltet sich diese Freiheit im Alltag des Handelns? Mit der Konzeption eines praktischen Freiheitsbegriffes beschreibt der Autor, wie und wodurch sich Menschen Handlungsfreiräume schaffen, warum sich Menschen zusammenschliessen und aus welchem Selbstverständnis ihre Praxis hervorgeht.
Anhand der Struktur der p.m.k wird gezeigt, dass es hierbei nicht um eine Ordnung geht, aus der heraus sich Freiheit bestimmt, sondern um eine Organisationsform, durch die sie Form annimmt. Für die Studie hat Mario Vötsch eine Reihe von Interviews mit Vertretern der
verschiedensten p.m.k - Vereine geführt, die auszugsweise im Buch nachzulesensind. Und nicht nur deshalb lohnt es sich hinein zu schmöckern. Eine theoretische Abhandlung über seine eigene Arbeit, das hat man nicht alle Tage. Das Buch wird übrigens am 6. Mai im Rahmen einer Diskussion in der p.m.k präsentiert. Ich darf Euch jetzt schon alle herzlich dazu einladen.
Ulli Mair