Wenn ihr dies lest, habt ihr das Halligalli rund um den Jahreswechsel hoffentlich alle gut überstanden. Jetzt, wo ich dies schreibe, steht mir das noch bevor und so habe ich gerade einen Adventskalender gesehen, der als eine Art 24-tägiges Rätselspiel zur Buch- und Hörspielreihe „Die drei !!!“ konzipiert war. „Die drei !!!“ wurden als Pendant zur Kinderkrimi-Reihe „Die drei ???“ speziell für Mädchen kreiert – aus der nachvollziehbaren Überlegung, dass die ursprünglichen drei Detektive Justus, Peter und Bob für Mädchen überschaubare Identifikationsangebote bieten und so ermitteln nun Kim, Franziska und Marie.
Als Kind war ich ein glühendster Fan der Hörspielreihe „Die drei ???“. Es ist kaum überschätzbar, wie sehr dieses frühe intensive Fantum mich bis heute geprägt hat, was sich vielleicht daran ermessen lässt, dass ich meine Lieblingsfolgen bis heute großteils auswendig wiedergeben kann. Die drei ??? lösen ihre Fälle im Großraum von Los Angeles, arbeiten u.a. mit Alfred Hitchcock zusammen und nach ihnen war es schwierig, später wieder mit weniger auszukommen: Dass Kalifornien das beste Land der Erde ist hat sich so bei mir frühkindlich fest eingebrannt und meine Begeisterung für in Deutschland oder Österreich spielende Krimiserien oder Fiktionen überhaupt ist bis heute überschaubar. Da hat Hollywood einfach mehr Glam! Die drei !!! recherchieren in einer fiktiven deutschen Stadt – augenscheinlich kann niemand alles haben.
Die Folge „Die drei ??? und der lachende Schatten“ dreht sich um einen Goldschatz, den Native Americans (diese werden im 1980 erschienen Hörspiel nicht mit dieser – auch nicht unproblematischen Bezeichnung – benannt) versteckt haben. Hauptkommissar Reynolds, ein Freund und Helfer der Kinder-Detektive, zitiert dabei den „Häuptling“ (auch das eine gelinge gesagt problematische Bezeichnung!) Magnus Verde, der einen verrätselten Hinweis gegeben hat: „Der Schatz ist im Himmelsauge, wo ihn keiner finden kann.“ Justus entgegnet höflich: „Nein Sir, so lautet der Spruch nicht. Er heißt: Er ist im Himmelsauge, wo kein Mann ihn finden kann. Kein Mann! Er meinte, dass ihn kein Mann, wohl aber ein Junge finden kann.“ Reynolds ist also ein Lapsus passiert, der alten weißen Männern wie ihm eben häufig passiert: Er hat Mann gleichgesetzt mit Mensch. Wenn kein Mann den Schatz finden kann, dann heißt das für Reynolds, dass es kein Mensch kann und so merkt er sich einfach „keiner“. Damit vergisst er, dass es andere Menschen gibt, die nicht so wie er ein alter weißer Mann sind, dessen Position so privilegiert ist, dass sie sich als die universelle, die Norm, das Menschsein schlechthin wähnt. Justus jedoch ist (noch) kein Mann (sondern ein Bub), versteht Verde und so klärt sich: Der Schatz ist in einer Höhle, die im Auge eines einem Gesichts ähnelnden Berges liegt. Der Höhleneingang ist so eng, dass nur Buben das Versteck betreten können. So wird der Schatz gefunden – Happy End. Dass ebenfalls für diesen Eingang zu große Frauen sich bei Reynolds’ „keiner“ mitgemeint fühlen müssen, damit des Kommissars Fehler und Justus’ davon inspirierte Korrektur und Lösung von Verdes Rätsel eindeutig funktionieren, fiel 1980 niemand auf. Beeindruckend ist dennoch Reynolds’ Ignoranz. Aber die drei ??? müssen eben mit der Polizei ihres Heimatstädtchens Rocky Beach kooperieren, eine andere haben sie nicht. Da ich zu früh geboren bin für die drei !!! weiß ich (noch) nicht, mit welchen Polizeiorganen sie zusammenarbeiten müssen. Vielleicht lese ich also, um das herauszufinden, zum Zeitpunkt eurer Lektüre dieser Kolumne gerade ein !!!-Buch, um das herauszufinden.
Oder ich lese mir die Kurzbeschreibungen der Projekte durch, die im Rahmen von TKI open 20 gefördert wurden, der Förderschiene des Landes Tirol für experimentelle Kunst- und Kulturprojekte. Die TKI open 20 trägt das Motto „was tun“ und eines der ausgewählten Projekte beantwortet dieses mit „Nichts Tun“. Es ist ein partizipatives Projekt und richtet sich laut der auf der TKI-Website nachlesbaren Projektbeschreibung speziell an Alte Weiße Männer. Um also meine Öffentlichkeit hier in dieser Kolumne nicht nur für die Relektüre von Kinderkrimiklassikern zu verplempern, möchte ich abschließend alle, die sich von den Reynolds’schen Irrungen angesprochen fühlen, hinweisen auf dieses Projekt – vielleicht ist das ja was für euch und ihr wollt euch beteiligen.
Ich suche mir inzwischen einen Ort, wo keiner mich findet und höre die von Heikedine Körting produzierten Hörspiele der drei ??? und erfreue mich an den zugehörigen Coverillustrationen von Aiga Rasch. Die restliche Zeit verbringe ich mit Vorfreuen auf das neue Album von Gustav namens „Hallo Knallo“.