And Wetness is the Essence of Beauty

Derzeit sind auf den Weltmeeren Schiffe unterwegs, die die Wiege der Pop-Musik, das Vereinigte Königreich (weshalb heißt es eigentlich nicht Vereinigte Königinreich? Würde cooler klingen: United Queendom, kurz UQ), verlassen haben ohne zu wissen, welche Regeln für sie und ihre Ladung gelten werden, wenn sie ihre Zielhäfen erreicht haben werden, weil zum Zeitpunkt ihrer Abfahrt nicht klar war, wie der Brexit nun verlaufen wird.

UK PoolJe nach Geschmack sind diese Schiffe ein Sinnbild für die vollkommen aus dem Ruder gelaufene Planlosigkeit der politischen Großwetterlage oder für die Ungewissheit allen menschlichen Schaffens. Oder aber, viel profaner, für die Lage des Kolumnisten, der beim Schreiben dieser Zeilen weder weiß, wie der Brexit verlaufen wird, noch wann sie euch Leser*innen erreichen werden. Zumindest nach dem alljährlichen Highlight p.m.k.-Ball wird es jedoch sein, der 2019 unter dem Motto „Underwater Love“ steht. So alte Menschen, wie ich es bin, denken dabei als erstes an Smoke Citys gleichnamigen 1997er Trip-Hop-Hit, aber natürlich verschlägt es die unsteten Segelschiffe der Assoziation auch gleich gerechtfertigt in gänzlich andere Gefilde.

Denn auch Filme feiern die Liebe unter Wasser. Wer denkt etwa nicht gern zurück an die Liebes- und Poolszene mit Claire Danes und dem im Fach fahrlässige Schifffahrt nicht Unbekannten Leo DiCaprio in der 1996er Verfilmung eines leidlich bekannten britischen Dramas unter dem Titel „Romeo + Juliet“. Wo hier noch das Schwärmen für Danes oder DiCaprio (oder beide) reuelos möglich ist (trotzdem wir wissen, wie es ausgeht), sind andere Filme vermutlich schlechter gealtert. Wie mag es etwa sein, den ebenfalls für seine Poolszene bekannten Erotikthriller (gibt es dieses schier 90er schreiende Genre eigentlich noch?) „Wild Things“ aus dem Jahr 1998 rund um vermeintliche (oder eben nicht?) Vergewaltigungen heute noch einmal anzusehen (wahrscheinlich ähnlich verwirrend wie Harmony Korines 2012er Bubblegum-Crime-Vexierbewegtbild „Spring Breakers“ mit seinen Poolszenen)?

Die 90er, sie waren (wie wohl jede Vergangenheit) eine merkwürdige Zeit: Mal wirken sie im Rückblick unschuldig-süß, mal zu Recht und zum Glück untergegangen. Und beides waren sie damals nicht, als die Ziele und Probleme noch andere waren als die unserer Katastrophe von Gegenwart, von der niemand weiß, wie es ausgeht.

Uk Pool 2Eine Filmreihe, die mich in den 90ern verloren hat, ist die um den britischen Geheimagenten James Bond. Einen der aktuellen Bond-Filme hat die allgemein beliebte Kritikerin Laurie Penny (die gerade – wenngleich vermutlich nicht per Schiff – aus dem UK/UQ in die Vereinigten Staaten übersiedelt ist) in einem Essay mittels eines beeindruckenden argumentativen Eiertanzes zu retten versucht. Demzufolge seien Bond-Filme so anstrengend, weil sie ein Lehrstück dafür seien, wie sehr auch Männer als vermeintliche Gewinner des Patriarchats unter (toxischer) Männlichkeit leiden. Kann sein, nerven tun sie trotzem. In einem Bond, an den ich mich noch erinnern kann (aus dem Fernsehen der 90er), tummelten sich jedenfalls (gefühlt stundenlang) diverse Taucher in lustiger 60er-Jahre-Tauchausrüstung nebst ebensolchen Kulissen und Fischen unter Wasser – großer Camp, doch fällt auch es leider kaum unters Thema subaquatische Liebe, und es hat, wie gesagt, seine Längen.

Da schaue ich persönlich mir schon lieber den Film „The Swimmer“ aus dem Jahr 1968 an, in dem Burt Lancaster beschließt, durch sämtliche Swimming Pools seiner Nachbar*innen nach Hause zu schwimmen – ein Zuhause, das es, wie sich im Lauf des Films herausstellt, längst nicht mehr gibt. Auch dieser Film ist als ein Sinnbild auf die Krise des alten weißen Mannes lesbar und wirkt dabei (vielleicht wegen des Drehbuchs von Eleanor Perry) heutiger als Bond, „Romeo + Juliet“ und „Wild Things“ zusammen. Außerdem gibt es 95 Minuten einen kaum bekleideten Burt Lancaster zu begutachten. Das ist nicht nichts!

Wie es allerdings nun sein wird, vom Mutterland der Pop-Musik verlassen zu werden, ist nicht aus all diesen Filmen herauszulesen. Und eben auch daraus nicht, wofür das Vereinigte Königreich auch mal stand: Pop-Musik. Denn die ermöglicht uns (wie ein Swimming Pool) allein zu sein, mutterseelenallein mit der Gesellschaft. So wie sich von einem Pop-Song jede*r für sich (das aber in Bezug auf die anderen, auf die Gesellschaft) angesprochen fühlt, ermöglicht es ein logischerweise für Poolpartys zu nützender Swimming Pool, zwischendurch mal abzutauchen – raus der Gesellschaft und doch mitten unter ihnen. Schade, dass das UQ diese liebevolle Technik anscheinend vergessen hat.

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Martin Fritz