Ein bisschen Weltstadt in Dreiheiligen

Innsbruck wird die Geister die es rief nun nicht mehr los. Erinnern wir uns: Vor circa zwei Jahren beschloss die Stadt Innsbruck Weltstadt zu werden, was weithin sichtbar kundgetan wurde, mit Transparenten von Balkonen am Rathaus, auf Straßenbahnen und anderen Werbeträgern. Wirklich ernst genommen hat das Ganze niemand, auch die Bürgermeisterin nicht, wie sie selbst mehrfach betonte.

Inzwischen ist die Stadt Innsbruck aber mit Erscheinungen konfrontiert, die einer Weltstadt würdig sind und mit denen jede durchschnittliche Weltstadt, nehmen wir z. B. Berlin, Paris oder London schon seit eh und je zu konfrontiert wird.
Ein sattes Drogendealerproblem, Obdachlose, Alkohol- und Drogensuchtkranke, eine (anscheinend) steigende Kriminalitätsrate, gut frequentierte Ausgehmeilen und eine blühende Kultur- und Subkulturszene.

Alles wäre wahrscheinlich halb so schlimm, würden sich diese Weltstadtphänomene nicht zunehmend auf einen Stadtteil konzentrieren und alles wäre wahrscheinlich halb so schlimm, wenn man genau wüsste, wer an allem schuld ist: die Schwarzen oder nur die Marrokaner, die Säufer oder doch eher die Drogensüchtigen, die Obdachlosen oder die Lokalbesucher, die Nachtschwärmer generell oder nur die Jugendlichen, die Szene oder die Punker, die Menschen, der Lärm oder die Glasscherben?

Jedenfalls fühlen sich nicht näher bezeichnete Anrainer insgesamt bedroht und rufen mittels in den Hausgängen von Dreiheiligen (ohne Impressum) aufgehängter Zettel zur Unterschriftenaktion und zum generellen Denunziantentum auf.
Anrainer sind also auf den Plan getreten, sammeln Unterschriften gegen Bausch und Bogen und lassen der Bürgermeisterin via Neuer Tiroler Tageszeitung ausrichten, sie könne sich zum Stadtteilgespräch warm anziehen.

Man sollte sich allerdings hüten alles in einen Topf zu werfen. Es handelt sich um unterschiedliche Phänomene, und unterschiedliche Problemstellungen bedürfen unterschiedlicher Lösungen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Politik den angesprochenen Themen differenziert begegnet und dort sinnvolle Lösungen anbietet, wo sie angebracht sind.
Während sich also ein diffuses öffentliches Ärgernis auf Dreiheiligen allgemein konzentriert, fokussiert sich das kulturelle Fachinteresse auf die Bögen 19 und 20. Das Publikum ist begeistert, die Presse euphorisch.
“Der Westen lebt auf”, titelte unlängst die Tiroler Tageszeitung. “Es tut sich was in Innsbruck: Musiker, die früher einen weiten Bogen gemacht hätten, spielen nun in schöner Regelmässigkeit bei uns. Schuld ist unter anderem die neu eröffnete p.m.k mit ihren jungen Veranstaltern. Die buchen auf eigene Kosten und Risiko Stars wie Funkstörung, Joseph Cotton, Acts des weltbekannten Ninja-Tune-Labels und anspruchsvolle Elektroniker wie Jamie Lidell in den Bogen. Ein Programm, das für eine Provinzstadt wohl einzigartig ist und sich nicht nur in Österreich sehen lassen kann.”

Man spricht schon in Berlin über die p.m.k, hat unlängst jemand erzählt. Musiker die hier aufgetreten sind, tragen die gute Atmosphäre weiter, berichten davon in anderen durchschnittlichen Weltstädten und erzeugen in der Branche Lust, einen Abstecher in die p.m.k zu machen. Ein bisschen Weltstadt also in Dreiheiligen. Nur gut, dass man in diesem Fall genau weiß, wer daran schuld ist.