Kultur ist Arbeit. Arbeit verdient Geld

Die Plakataktion „Kultur ist Arbeit. Arbeit verdient Geld“ war die erste gemeinsame Aktion der bættlegroup for art. Durch Schlagwörter wie Kulturhauptstadt oder Kulturoffensive ist die Kultur in Innsbruck zumindest vordergründig wieder in alle Munde gekommen. Diesen Umstand haben die freien Kulturschaffenden zum Anlass genommen, sich zu vernetzen und einen Nachdenkprozess in Gang zu bringen, der den Stellenwert von Kunst und Kultur für die Stadt wieder mehr ins öffentliche Bewusstsein rücken wird. Die bættlegroup for art vereint sieben kulturelle Interessenvertretungen und Zusammenschlüsse die in der Stadt Innsbruck tätig sind: aut (Architektur und Tirol), GAV (Grazer AutorInnenAutorenVersammlung Tirol), IG AutorinnenAutoren Tirol, IG freie Theaterarbeit Tirol, p.m.k., Tiroler Künstlerschaft und TKI (Tiroler Kulturinitiativen – IG Kultur Tirol). Dieser Zusammenschluss stellt eine in Innsbruck noch nie da gewesene Solidarität unter den Vertretern der freien Kulturszene dar, welche sich auch in Zukunft mit der „Kulturstadt“ Innsbruck beschäftigen wird. Hauptanliegen ist es, die Innsbrucker freien Szenen stärker sichtbar zu machen und Konzepte zu entwickeln, die den künstlerisch/kulturellen Potentialen dieser Stadt Raum und Präsenz geben.
Es ist unbestritten, dass die Arbeit der freien Kunst- und Kulturschaffenden für die Stadt einen wichtigen kulturellen Mehrwert darstellt. Bei näherer Betrachtung sind es genau diese Projekte und Initiativen, die entscheidend zur urbanen Lebensqualität beitragen, ja die Stadt lebenswert machen. Gemeinsam gesehen bilden sie das, was man gemeinhin mehr oder weniger unhinterfragt mit Szene bezeichnet und schaffen damit jenes städtische Ambiente, das die Stadt Innsbruck für die hier lebenden Menschen, für ihre Studierenden aber auch für ihre Touristen attraktiv macht. Fast scheint es so, als würde diese Szene für eine Stadt wie Innsbruck als selbverständlich vorausgesetzt, weil sie einfach da ist. Dass sich dahinter aber jede Menge Arbeit verbirgt, wird in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen. Die Kulturschaffenden erbringen eine Reihe von gesellschaftlichen Leistungen, die über das blosse vielfältige Angebot von Kulturveranstaltungen hinausgehen. Als Impulsgeber sind sie Garant für Nachdenkprozesse über gesellschaftliche Themen und Entwicklungen. Man denke hier z. B. an den entscheidenden Einfluss der Arbeit des Architekturforums zur Stadtentwicklung in Innsbruck. Nicht zu unterschätzen ist bei der Arbeit der freien Kulturschaffenden auch die soziale Interaktion, Förderung von Kommunikation und der Aspekt der gesellschaftlichen Integration generell. Insgesamt trägt die Arbeit der freien Kulturschaffenden entscheidend zum Image der Stadt bei und ist so prägend für das Profil der Stadt, was sich neben dem wirtschaftlichen Faktor der vielen Kulturveranstaltungen auch über den Weg der Umwegrentabilität in wirtschaftlich relavanter vielfältiger Wertschöpfung ausdrückt. Der 1. Mai als der Tag der Arbeit ist zwar schon längst vorbei, dennoch sind die Reaktionen auf die Plakataktion Anlass genug, um die Frage nach dem gesellschaftlichen Stellenwert von Kunst und Kultur aus dem Blickwinkel der prekären Arbeitsituationen der freien Kunst- und Kulturschaffenden weiterhin nachhaltig aufzuwerfen. So wurde in einem Innsbrucker Lokal das Plakat zum Beispiel folgend überschrieben: Kultur hat nichts mit Kapitalismus zu tun! Gehts arbeiten, Aristokratenkinder! und über Arbeit verdient Geld stand in fetten Lettern: Nutten. Bemerkenswert war auch das Statement der Stadt Innsbruck in der Tiroler Tageszeitung am Tag nach der Aktion: So teilte die Bürgermeisterin mit, dass sie durchaus der Ansicht sei, dass Kulturarbeit bezahlt werden müsse, die Stadt Innsbruck sich jedoch in diesem Zusammenhang nicht zu schämen brauche, habe sie doch das Budget für tki, aut, p.m.k und Literaturhaus in den letzten Jahren auf insgesamt 97.000.- Euro aufgestockt. Für die Öffentlichkeit mag das viel Geld erscheinen, aber wieviel Arbeit samt Lohnnebenkosten bekommt man für 97.000.- Euro? Gerade einmal einen A-Beamten und vielleicht noch eine Halbtagssekretärin, wenns überhaupt hochkommt. Das Bewusstsein, was Arbeit in Österreich kostet fehlt in diesem Diskurs offenbar gänzlich. So frei, flexibel und offen sich die Kulturszene nach aussen hin darstellen mag, Kulturbetriebe sind Unternehmen, die sich, was die unternehmerischen Anforderungen betrifft gegenüber anderen Unternehmen wenig unterscheiden, ausser durch die Zahl ihrer Mitarbeiter. Kulturbetriebe sind in der Regel Ein- oder Zweimann(frau)betriebe und diese meist in schlecht bezahlten Teilzeitverhältnissen arbeitenden Manager sehen sich Aufgaben gegenüber, die in normalen Unternehmen von einem grossen Mitarbeiterstab bewerkstelligt werden. Freie Kulturarbeit sieht sich dabei nach wie vor einem hartnäckigen Vorurteil gegenüber: Freie Kulturarbeit ist kein Beruf, sondern ein Hobby, angesiedelt im Freizeitbereich, gewissermassen Privatvergnügen. Ehrenamtlichkeit wird in diesem Bereich vorausgesetzt. Was dabei übersehen wird ist, dass Ehrenamtlichkeit Abhängigkeit und Selbstausbeutung bedeuted und auf Dauer daran viele für die Öffentlichkeit wertvollen Projekte scheitern. Kein Unternehmen kann nur durch die Motivation seiner unbezahlter Mitarbeiter, die rund um die Uhr ein Monsterprogramm an Arbeit bewältigen langfristig überleben.
Ehrenamtlichkeit so unverzichtbar und ehrenwert sie für eine Gesellschaft sein mag ist in Wirklichkeit eine private Existenz- und eine gesellschaftliche Abhängigkeitsfalle. Die Politik stiehlt sich dabei unter höchst fragwürdigen Bedingungen aus der Verantwortung. Sobald sie wichtige gesellschaftliche Aufgaben in den Bereich des Ehrenamtes verweist, stellt sie nicht mehr sicher, dass die Erfüllung dieser Aufgaben gewährleistet ist. Laut IG Kultur steht Kulturarbeit bereits an zweiter Stelle im österreichischen Ehrenamtsranking nach ehrenamtlicher Arbeit im Sozialbereich. Daher bleibt auch nach dem 1. Mai eine der Hauptforderungen der bættlegroup for art, dass zumindest jene Dienstleistungen, die die Rahmenbedingungen für einen reibungsfreien Ablauf in den Kulturbetrieben schaffen und damit den Fortbestand garantieren, fair und der Arbeit entsprechend adäquat bezahlt sein müssen.
Kultur ist Arbeit. Arbeit verdient Geld.

Ulli Mair