Kultur in Zeiten der Krise

Eigentlich kann ich das Wort Krise nicht mehr hören. Was geht mich das an, als Kulturschaffende bekanntermaßen nicht gerade mit Reichtum gesegnet, wenn sich irgendwo irgendwer verzockt und dann halt statt Milliarden nur mehr Millionen verdient. Ich hab eh nichts zu verlieren, also was soll´s.
Ganz so allerdings ist es nicht. Könnte doch die Krise höchst überraschende Auswirkungen auf Kunst und Kultur haben. Und zwar solche, mit denen wir, stets das Damoklesschwert Kultursubventionskürzung als Rute im Fenster vor Augen, absolut nicht gerechnet haben. Ich staunte nicht schlecht, als ich unlängst eine Debatte im Fernsehen sah, in der der krisengeschüttelten Wirtschaft ernsthaft nahe gelegt wurde, sie solle Anleihen bei den Künstlern nehmen. Kreative seien es gewöhnt, mit wenig Mitteln neue Lösungen zu generieren, deshalb müsse sich die Wirtschaft speziell in der Krise an der Kunst orientieren und hinkünftig müsse überhaupt mehr in die Kunst investiert werden. Kunstschaffende als gefragte Strategen aus der Krise? Kreative als Lehrmeister der Wirtschaft?
Ungewöhnlich aber irgendwie logisch.
Der Rektor der Universität für Angewandte Kunst in Wien ging gleich noch einen Schritt weiter: Er forderte ein 100 Mio. Euro Konjunkturpaket für Kreativität. Was Österreich jetzt brauche, seien neue Ideen, neue Strategien und neue Produkte. Die Zukunft dieses Landes zu sichern, bedeute Kreativität und Innovation zu stimulieren, denn hier, in allen Bereichen der Bildenden und Darstellenden Kunst, der Architektur, des Designs etc., lauere der wahre Know How-Verlust, der die Zukunft Österreichs weit mehr beschädigen würde, als ein Know How-Verlust in vielen Bereichen der traditionellen Wirtschaft, etwa in der Autoindustrie.
Warum also, so fragt der Rektor, soll die erzwungene Kurzarbeit im Kreativsektor nicht ebenso staatlich gefördert werden, wie die Kurzarbeit bei General Motors Österreich, KTM oder Magna?
Auch irgendwie logisch.
In einem viel beachteten Zeitungsinterview brachte es der deutsche Kulturminister dann vor kurzem auf den Punkt: Gerade in Zeiten der Finanzkrise werde es keine finanziellen Einbrüche in der Kultur geben.
Kultur sei schlichtweg die geistige Grundlage unserer Gesellschaft, sie sei unsere Identität, so der Minister, und Investitionen in die Kultur seien keine Subventionen, sondern Investitionen in die Zukunft unserer Gesellschaft. Kultur ist das, was den Menschen ausmacht. Da müsse man in solchen Zeiten investieren und nicht sparen. Und setzte noch eins drauf: er sei heilfroh, dass, im Gegensatz zu den USA, die Hauptverantwortung für die Kultur von der öffentlichen Hand und nicht von Sponsoren wahrgenommen werde. Das biete gerade in Krisenzeiten große Vorteile. Den Sponsoren könne er nur sagen: Streicht in diesen Zeiten nicht gerade jene Mittel, die Euer Ansehen und Euer Image fördern und Euch auszeichnen! Schaut doch einmal nach Berlin! Für Berlin ist die Kultur existenziell. Ganz Deutschland ist ein Kulturpanorama!
Na, wer sagt´s denn. Und Österreich ist ja sowieso eine Kulturnation. Ich bin echt gespannt, ob sich nach alldem hierzulande noch irgendwer getraut, das Wort Kultursubventionskürzung in den Mund zu nehmen.

Ulli Mair