Kultur in Zeiten der Krise Part II

In meiner letzten Kolummne habe ich mich damit beschäftigt, welche Auswirkungen die viel zitierte Wirtschaftskrise auf die Kultur haben könnte und bin dabei auf erstaunliche Ergebnisse gestossen.

Und, obwohl ich behauptet habe, ich könne das Wort Wirtschaftskrise in keinster Weise mehr hören, lässt mich das Thema im Zusammenhang mit Kultur irgendwie jetzt doch nicht mehr los. In der Kultur liegt vieles im Argen, in der Kultur gibt es immer zu wenig Geld und überhaupt jede Menge anderer Probleme. So gesehen befindet sich die Kultur in der Dauerkrise.

Warum dafür nicht einmal jene Instrumente ausprobieren, die die Wirtschaft zur Lösung ihrer Probleme erfolgreich anpreist? Und was liegt da näher als die Verschrottungsprämie? Ja, warum nicht auch eine Verschrottungsprämie für Kultur? Bei näherer Betrachtung gäbe es dabei nämlich jede Menge Anwendungsszenarien, allein der Gedanke daran, lässt meine Phantasie regelrecht davon gallopieren...

Aber denken wir es einmal konkret durch, zum Beispiel anhand von Kunst im öffentlichen Raum. Gerade in diesem Bereich wird ein Grunddilemma zeitgenössischen Kulturschaffens evident: Neues kann immer nur unter erschwerten Bedingungen entstehen weil vorwiegend an Bestehendem festgehalten wird. Das liegt zwar auch am Geld aber vielmehr noch an einer falschen Prämisse: was irgend einmal (wenn überhaupt) zeitgenössisch und somit gültig war muss es nämlich nicht in alle Ewigkeit sein. Wenn es sich dabei dann noch um Kunst im öffentlichen Raum handelt, scheint überhaupt kein Mensch mehr je an die Überprüfung ihrer Aktualität zu denken, sobald sie erst einmal installiert ist. Und so kommt es, dass mit der Zeit der gesamte öffentliche Raum künstlerisch versaut ist. Man denke hierbei nur an all die scheusslichen sogenannten künstlerischen Brunnengestaltungen, die im Laufe der Jahrzehnte unsere Plätze in unseren Städten vollklotzen, von den sonderlichen Bronze-, Stahl- und sonstigen Plastiken ganz zu schweigen. Woher aber sollte jemals der Anreiz kommen, diese obsolete Kunst, und sei sie noch so schlecht oder zumindest nicht mehr auf der Höhe der Zeit zu entfernen um sie durch eine innovative zeitgenössische Arbeit zu ersetzen? Woher, wenn nicht durch die Verschrottungsprämie?

Kunst kann nämlich durchaus ein Verfallsdatum haben und wie ich finde, auch haben dürfen. Begreift man Kunst als Auseinandersetzung an den Themen der Zeit mit den Mitteln der Zeit und Kunstförderung als Risikokapital, das vorwiegend Experimet mit offenem Ausgang im Auge hat, dann wäre Kunst ohnedies im ständigen Wandel und diese Frage würde sich so nicht mehr stellen. Man sollte sich endlich von dem Gedanken trennen, dass Kunst etwas quasi Heiliges ist, einmal geschaffen für die Ewigkeit bestimmt. Bei genauerer Betrachtung verursacht diese durchaus weitverbreitete Haltung nämlich genau nur eines: Stillstand!

Die Verschrottungsprämie könnte dagegen das probate Mittel sein. Sie könnte die Kunst endlich von ihrer Patina befreien und frischen Wind in die ganze Sache bringen. Künstlerische Innovatition und kreativer Zeitgeist würden ungeahnte Blüten treiben, unsere Plätze in unseren Städten wären nicht nur spritzig und modern, sondern würden allerorts eine anregende Auseinandersetzung mit spannenden Themen bieten. Welch wunderbare Vorstellung. Ständig würden neue Aufträge an Künstler vergeben, alles wäre in stetiger Veränderung und bliebe lebendig.
Und weil sich zwar über Geschmack aber in Wahrheit nicht über Kunst streiten lässt fordere ich hiermit nicht nur die Verschrottungsprämie ( zunächst einmal für Kunst im öffentlichen Raum ) sondern dazu gleich eine Ästhetikkommision...

Ulli Mair