Die Stadt Innsbruck stellt mit stadt_potentiale seit heuer einen eigenen Fördertopf zur Verfügung, der speziell an der Impulskraft der freien Kulturszenen ansetzt. Er ist ausgerichtet auf zeitgenössische Kunst- und Kulturarbeit, insbesondere auf experimentelle Projekte, die Kunst als intensive Gesellschaftsforschung mit offenem Ausgang begreifen. stadt_potentiale stellt Finanzmittel für kulturelles „Risiko“ bereit und ermöglicht so künstlerisches Experiment und Kulturforschung.
Inhaltlich wendet sich die Ausschreibung an Kunst- und Kulturprojekte, die sich mit Urbanität, mit Stadt als kulturellem Raum und mit der Stadt Innsbruck im Speziellen auseinandersetzen. stadt_potentiale zielt weiters auf Kooperation und Vernetzung ab und lädt zur Konzeption von Kunst-und Kulturprojekten ein, die im Ansatz sparten- und/oder szeneübergreifend bzw. interdisziplinär sind.
stadt_potentiale ist jährlich mit 70.000.- Euro dotiert.
Eine unabhängige, jährlich wechselnde und überregional besetzte Fachjury aus drei ExpertInnen entscheidet in einer öffentlich zugänglichen Jurysitzung über die Auswahl der Projekte und über die Höhe der Förderungen.
Bereits bei der ersten Ausschreibung wurden insgesamt 63 Projekte eingereicht. Schon allein diese beachtliche Anzahl hat das grosse kreative Potential der Innsbrucker Szenen sichtbar gemacht. Aber nicht nur die Anzahl alleine war beeindruckend sondern das hohe Niveau, das allen Einreichungen von der Jury bescheinigt wurde.
Apropos Jury: die erste öffentliche Jurysitzung fand Anfang April statt. Und es war wahrlich nicht leicht, aus so vielen guten Projekten in einer nahezu zwölfstündigen Marathonsitzung letztendlich 15 Projekte auzuwählen.
Alle ausgewählten Projekte sind auf der homepage der baettlegroup for art www.baettle.net unter der Rubrik Aktuell nachzulesen. ( Übrigens ein guter Grund die baettlehomepage wieder einmal zu besuchen.)
Besonders erfreulich für die p.m.k ist nicht nur, dass sich unter den Siegerprojekten auch einige spannende Projekte von p.m.k Mitgliedern befinden, sondern dass das Kooperationsprojekt immediate steps / sofortmassnahmen zur Entwicklung eines Kunst- und Kulturmediums für Innsbruck zur Realisierung ausgewählt wurde, das die p.m.k gemeinsam mit Radio Freirad, Klangspuren, Galerie St. Barbara, NLK und der TKI initiiert hat.
Die Arbeitsgemeinschaft aus sechs Kultureinrichtungen plant, ausgehend von der für zeitgenössische Kunst- und Kulturarbeit prekären Mediensituation in Innsbruck die Entwicklung und Umsetzung eines für Innsbruck zugeschnittenen Kulturmediums. Inhaltlich fokkussiert das Medium auf die Bedürfnisse der freien Kunst- und Kulturszenen im Bereich der Zeitkultur.
Es ist leider eine Tatsache, dass es sämtliche gängigen regionalen Tiroler und Innsbrucker Medien, (und das reicht von Tages-, Wochen- und Monatszeitungen bis hin zu öffentlich rechtlichem Radio und Fernsehen, mit Ausnahme freier Initiativen wie Radio Freirad oder Zapp TV) schlichtweg negieren, einen offenen, intellektuell anspruchsvollen, auf der Höhe der Zeit stattfindenden, kritischen Gesellschafts-, Kunst- und Kulturdiskurs zu führen. Es ist hier nicht der Ort zu diskutieren, inwieweit dies zu den Aufgaben regionaler Massenmedien gehören könnte oder wie der Bildungsauftrag öffentlich rechtlicher Medien auszulegen ist.
Begreift man Kunst und Kultur als unverzichtbare gesellschaftliche Ressourcen und als gesellschafts- bzw. demokratiepolitische Notwendigkeiten so wird schnell klar, was auf dem Spiel steht. Kunst und Kultur forschen auf der Höhe der Zeit und spüren seismografisch (und das außerhalb des Kosten-Nutzenkreislaufes täglichen Gebrauchs- und Konsumverhaltens) Zusammenhängen, Frage- und Problemstellungen, Zuständen und Brüchen nach, um diese aufzuzeigen, zu benennen und zu bearbeiten. Damit liefern Kunst und Kultur jene Grundlagen, auf deren Basis breitere gesellschaftliche Fragen aktualisiert und verhandelt werden können.
Dass in Innsbruck ein eigenes Kulturmedium fehlt, ein solches aber dringend notwendig wäre, darüber gibt es des Längeren schon breiten Konsens. Erst jüngst hat „baettle research“in einer umfassenden Studie über die Bedingungen freier Kulturarbeit in Innsbruck diesem alten Anliegen beeindruckend Nachdruck verliehen. In nahezu jedem der 70 von Kulturinitiativen zurückgesendeten Fragebögen wurde in dem Antwortfeld - Wünsche, Visionen und Ziele für Innsbrucks kulturelle Zukunft - die Notwendigkeit eines eigenen Kulturmediums für Innsbruck angesprochen. Noch deutlicher war das Ergebnis bei den qualitativen Interviews mit KünstlerInnen und Kulturschaffenden: hier hat sich die langfristige Etablierung eines eigenen Kulturmediums für Innsbruck als zentrale Forderung herauskristallisiert und zwar ausnahmslos bei allen Befragten.
Folgt man der These, dass Kunst und Kultur gesellschaftliche Ressourcen sind, die jene Grundlagen liefern, auf deren Basis breitere gesellschaftliche Fragen aktualisiert und verhandelt werden können, so könnte man guten Gewissens behaupten: Was wir über die Gesellschaft wissen müssen, ja über die Welt in der wir leben, das wissen wir nicht zuletzt durch Kunst und Kultur. Die gängigen regionalen Massenmedien in Innsbruck gewährleisten dafür weder den erforderlichen Wissenstransfer noch den dazu nötigen breiten öffentlichen Diskurs.
Fazit: Innsbruck braucht ein eigenes Kulturmedium. Ein solches zu entwickeln, hat sich das Projekt immediate steps zur Aufgabe gesetzt. Dank der Förderung durch stadt_potentiale 08 haben wir an der Umsetzung bereits intensiv zu arbeiten begonnen.
Ulli Mair