Die österreichische Nation liege im Tanzfieber, heisst es neuerdings. Dank sei dem ORF, der Tanzen als neues Nationalhobby mit erheblichen Anstrengungen allerorten proklamiert und gehirnwäscheähnlich dem ahnungslosen Fernsehzuseher eindoktriniert. Kaum eine ORF Sendung kommt mehr ohne den Hinweis auf das Tanzen aus, zahlreiche Tanzfilme werden vor- oder nachgeschaltet. Dancing Stars heisst die Show um die sich Österreich in den nächsten Wochen drehen soll, am besten im Walzertakt. Vordergründig nicht weiter schlimm sollte man meinen, haben wir doch Taxi Orange ebenso überlebt wie Starmania.
Was aber, wenn das solcherart generalverordnete Tanzfieber auf die Besucher von Kulturveranstaltungen übergreift? Das kann dann nämlich ganz schön teuer werden für die ohnedies schon abgabengeplagten Veranstalter. Nicht auszudenken wenn bei unseren Konzerten bisher stocksteife Konzertbesucher es Toni Polster gleichtun und beginnen (wenngleich holprig aber doch) einen Fuss vor den anderen setzen und sich gar zur Musik bewegen versuchen. Wenn das nach dem Vorbild Toni Polsters, weniger wahrscheinlich nach dem Vorbild Marika Lichters, um sich greift, dann gibt es bald keine Kultur mehr in Innsbruck.
Gemäss den Bestimmungen zum Vergnügungssteuergesetz sind in Innsbruck ansässige Kulturvereine von der Vergnügungssteuer befreit, sofern es sich um eine Kulturveranstaltung handelt. Soweit so gut, an sich eine löbliche kulturfördernde Massnahme der Stadt Innsbruck. Die Absurdität liegt allerdings im Detail: ausgenommen von dieser vergnügungssteuerbefreienden Regelung sind sogenannte Tanzbelustigungen. Vereinfacht ausgedrückt, Tanz und Kultur schliessen sich scheinbar aus, oder anders gesagt: wenn beispielsweise bei dem Konzert von Jamie Lidell alle erstarrt und regungslos da stehen wie versteinert, handelt es sich um Kultur, wenn beim gleichen Konzert jemand tanzen sollte, dann eben nicht.
Wir haben zwar weder das Wort Tanzbelustigung an sich, geschweige denn die Sinnhaftigkeit dieser Regelung angesichts des wirklichen realen Lebens je verstanden, aber wir haben damit zu leben gelernt. Uns jetzt das!
Aber es kommt noch dicker. Dass mit dem Voting der Zuseher nicht das tänzerische Können der sogenannten Promis, sondern ganz andere Arten von Vorlieben abgefragt werden ist leicht durchschaubar. Dem arglosen Fernsehzuschauer stehen altbekannte archetypische Gegensatzmuster zur Auswahl, und er wird, vielleicht ohne es zu merken mit seinem Voting jene unausrottbaren Vorurteile zementieren, die man gemeinhin mit dem Geschmack des einfachen Mannes oder neudeutsch mit Quote bezeichnet. Unschwer vorauszusagen dass sich die Volksmeinung weder für alt, fett, (nicht einmal wenn blond) und auch nicht für schwarz, (jung hin oder her) festlegen wird. So viel ist sicher. In Wahrheit werden jedoch perfiderweise wieder einmal zwei klassische an sich unvergleichbare menschliche Domainen einem schonungslosen Abstimmungsduell über deren Beliebtheit ausgeliefert und damit wie so oft unaufgeklärt und ungerechterweise gegeneinander ausgespielt:
Wieder einmal steht Fussball gegen Kultur.
Obwohl ich, welcher Telefongesellschaft auch immer, diese leicht verdiente Zusatzeinnahme noch nie gegönnt und weder bei Tschuggi noch bei Verena Pötzl jemals angerufen oder gesmst habe, griff ich diesmal zum Hörer. Immerhin könnte es der Kultur ernsthaft an den Kragen gehen, und das, ohne dass es irgend jemand bemerkt. Nichts für ungut liebe Fussballfreunde. Ich habe die Show ja nicht gecastet.
Wem die Kultur also am Herzen liegt, der vote bei Dancing Stars für Barabara Rett und tanze gefälligst nicht bei Kulturveranstaltungen (wie Toni Polster es auch nicht tun würde, wenn er nicht müsste)! Und vielleicht bringt ja die veränderte Lage der Nation mit Millionen Wählerstimmen im Rückenwind (allesamt für das Tanzen, warum auch immer) zu guter letzt die Stadt Innsbruck zur Vernunft, um diese sonderbare Regelung mit der Tanzbelustigung noch einmal zu überdenken. Mein Vorschlag: Einfach streichen!
Ulli Mair