Wie es die Kunst geschafft hat, dass beim Schützenaufmarsch Vergangenheit doch noch auf Zukunft trifft.
Ich weiss nicht wie es euch geht, aber irgendwie rast dieses Jahr dahin, dass es einem ganz schwindlig werden könnte. Jetzt zieht schon der Herbst ins Land, und dabei kommt mir vor, als hätte das Jahr erst angefangen. Vielleicht gar nicht so schlecht, denk ich mir andererseits, dann haben wir den ganzen Andreas Hofer Zinnober schneller hinter uns gebracht. Man kann es nämlich drehen und wenden wie man will, gänzlich entkommen kann man diesem Wahnsinn nicht, auch wenn man sich noch so bemüht. Und dabei steht der Höhepunkt ja erst bevor: der grosse Schützenaufmarsch am 20. September. Sämtliche Tiroler Schützen im Grossaufgebot, ganze kolportierte 30.000. Das muss man sich einmal vorstellen: 30. 000 verkleidete Männer aus allen Ecken und Enden Tirols, und die müssen es wohl sein, die letzten Ecken und Enden, denn wo sonst sollen auf einmal so viel Schützen herkommen? Bedenkt man die männliche Einwohnerzahl von Tirol und rechnet die ganz Kleinen und die ganz Alten weg, dann müsste demnach jeder 10. Tiroler ein Schütze sein. Das wären dann weit mehr als doppelt so viel Schützen wie Schweden beim legendären Schwedenmarsch, und schon der hat gar nicht mehr aufhören wollen.
Was für eine Vorstellung, was für ein Bild! Bilder haben ja gemeinhin die Angewohnheit etwas abzubilden. Was allerdings dieser Riesenaufmarsch 30.000 erwachsener Männer, die nichts vorführen, die offenbar auch weder gegen noch für etwas demonstrieren, sich also quasi eo ipso nur zur Schau stellen, was das ausser einer geballten Ladung Testosteron sonst noch abbilden soll, das ist mir schlichtweg schleierhaft. Nebenbei bemerkt handelt es sich dabei um einen sogenannten Landesfestumzug, und da darf die Frage erlaubt sein, wie man gedenkt, den anderen ( mehrheitlichen ) Teil Tirols Bevölkerung zu repräsentieren, nämlich die Frauen...?... Als Laie in solchen Sachen frage ich mich natürlich auch, was das Ganze mit dem übergeordneten Motto des Gedenkjahres zu tun hat. Wo bitte schön trifft hier Vergangenheit auf Zukunft? Naja, sollen sie tun was sie wollen, vielleicht freuts ja auch den ein oder anderen Touristen, das ganze Spektakel ist ja ohnehin in drei Stunden vorbei, könnte man sich einreden, wäre da nicht ein klitzekleiner Schönheitsfehler. Die ganze Chose kostet nämlich kolportierte 1,5 Millionen Euro. Was dabei so viel kostet ist mir ehrlich gesagt noch schleierhafter, aber wie gesagt ich bin absoluter Laie in solchen Dingen.
Um als Kulturtreibende von ebenso kolportierten 20 Prozent Kürzung der Kulturförderung fürs nächste Jahr betroffen, jetzt nicht gleich völlig auszurasten, lasse ich diese Tatsache jetzt einfach einmal unkommentiert so stehen, man möge darüber meditieren, so man es aushält... Eines sei allerdings doch noch gesagt in diesem
Zusammenhang: für die p.m.k geht es dabei um eine vergleichsweise lächerliche Summe von 14.000.- Euro, die über Sein oder Nicht Sein entscheidet...
Wenden wir uns also demnach lieber erfreulicheren Dingen zu. Wie ihr seht, geht der Herbst in der p.m.k mit einem dichten Programm in die heisse Phase, jede Menge Highlights warten auf uns, auf die wir uns mehr als freuen können. Neben dem gewohnt vielfältigen Programm in den Viaduktbögen macht die p.m.k im September aber auch ihrem Namen alle Ehre, wird mobil und setzt sich für eine Woche mit einem spannenden Projekt von Aut. ark kurzerhand mitten in die Stadt ins Schaufenster. Und das durchaus nicht in irgendeines, sondern höchst prominent gleich direkt in der Maria Theresienstrasse, nämlich in die Auslage des mittlerweile leerstehenden legendären Innsbrucker Geschäftes Schirmer. Aut. ark funktioniert dabei das ehemalige Haus der Mode gleich einmal ( zumindest temporär, schade eigentlich ) in ein Haus der /Mode/rne um und lässt von dort aus gewissermassen als Homebase sein Projekt „Playground“ eine Woche lang in die Stadt ausschwärmen. Playground versteht sich als künstlerische Intervention im urbanen Umfeld, wobei dessen Aneignung, Vereinnahmung, dessen Veränderung und dadurch dessen temporäre Um- bzw. Neugestaltung im Mittelpunkt stehen. Den Kern des Projekts bildet das “Foundsoundfestival”: International renomierte Musiker werden mit Field-Recordern ausgestattet und zeichnen Innsbruck eine Woche lang akustisch auf. Was dabei an Material zustande kommt, wird direkt vor Ort sofort elektronisch weiterverarbeitet und als Abschluss in einem Schaufensterkonzert live präsentiert. Der Enstehungsprozess von Kunst speist sich so nahtlos in den urbanen Alltag ein - nicht nur Kunst- und Kulturinteressierte sondern auch zufällig vorbeikommende PassantInnen können beim Flanieren an künstlerischen Schaffensprozessen teilhaben. Damit wird nicht nur Präsentation und Entstehung von Kunst öffentlich sondern der öffentliche Raum als öffentlicher Kunst-raum umdefiniert. Zahlreiche bildende Künstler setzen sich vor Ort mit unterschiedlichen Mitteln und Arbeiten mit dem Thema Räume, Urbanität und Öffentlichkeit auseinander und verwandeln das ehemalige Modegeschäft auch zu einem temporären Ausstellungsort zeitgenössischer bildender Kunst.
Daneben gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Konzerten, Vorträgen, Diskussionen und Videos. Klingt spannend oder? Also die Woche vom 14. bis 20. September vormerken und so oft wie möglich vorbeischauen! An dieser Stelle sei der Signa Holding gedankt, die uns das Geschäft völlig unkompliziert und kostenlos für das Projekt zur Verfügung gestellt hat und auch dem Architekten Dieter Mathoi, er hat den Kontakt hergestellt.
Übrigens: der Schützenaufmarsch wird an dem Projekt vorbei ziehen und so liess es sich letztlich doch nicht verhindern, dass - zu guter letzt - Vergangenheit doch noch auf Zukunft trifft...
Ps: Eigentlich würden Aut.ark für diese Glanzleistung nicht nur 30.000 Ehrensalven sondern 30.000 Euro aus der Andreas Hofer Jubiläumskassa gebühren...
Ulli Mair