Mi. 5.11.2025
#DISKURSIV: WEIL ES IMMER SCHON SO WAR!

#diskursiv: „Weil es immer schon so war“ – Braucht, Identität, Tradition?
Als Kulturkollektiv ContrApunkt laden wir am 05.11.2025 in die p.m.k ein, um die Begriffe „Tradition“ und „Brauch“ kritisch in den Blick zu nehmen. In Tirol verdichten sich diese Konzepte in vielfältigen Praktiken, von den Fasnachtsfiguren wie den Absamer Matschgerer, Axamer Wampeler oder Thaurer Muller über die großen Fasnachten in Imst, Nassereith und Telfs bis hin zu den Krampus- und Tuiflvereinen der Wintermonate. Was auf den ersten Blick als vertraute Rituale erscheint, zeigt sich bei näherem Hinsehen als von sozialen Dynamiken durchzogen: Fragen nach Zugehörigkeit und Ausschluss, nach Geschlechterordnungen, Identitätsentwürfen und touristischer Inszenierung werden in ihnen verhandelt.
Die Formel „Weil es immer schon so war“ dient dabei häufig als Rechtfertigung, bestehende Macht- und Ordnungsstrukturen abzusichern. „Tradition“ und „Brauch“ erscheinen so nicht als neutrale Beschreibungen, sondern als Argumentationsfiguren, die Authentizität beanspruchen, Grenzen ziehen und Veränderungen erschweren. Gleichzeitig sind Traditionen und Bräuche historisch beweglich, sie werden neu ausgehandelt, angepasst, transformiert oder auch fallengelassen. In der geplanten Veranstaltung wird es daher darum gehen, Praktiken wie Faschings- und Krampusumtriebigkeiten nicht vorschnell in eine konservierende Logik einzuschreiben, sondern ihre Offenheit, ihre Beweglichkeit und ihre Ambivalenzen sichtbar zu machen und trotzdem auch einen kritischen Blick darauf zu werfen.
Gemeinsam mit Julia Jenewein (Regisseurin und Kulturarbeiterin), Konrad Kuhn (Europäische Ethnologie, Universität Innsbruck) und Musiker Staad wollen wir untersuchen, wie Bräuche Zugehörigkeiten stiften, Identitäten stabilisieren, aber auch Spielräume für Öffnung und kreative Neugestaltung eröffnen.
Als Kulturkollektiv ContrApunkt laden wir am 05.11.2025 in die p.m.k ein. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit den Begriffen „Tradition“ und „Brauch“, die sich in Tirol in einer Vielzahl von Praktiken verdichten: vom Faschingsgeschehen mit Figuren wie den Absamer Matschgerern, den Axamer Wampelern oder den Thaurer Mullern über die großen Fasnachten in Imst, Nassereith und Telfs bis hin zu den Krampus- und Tuiflvereinen der Wintermonate. Diese Formen erscheinen auf den ersten Blick als selbstverständlich tradierte Rituale, erweisen sich jedoch bei genauerem Hinsehen als von komplexen sozialen Dynamiken durchzogen, von Fragen nach Zugehörigkeit und Ausschluss, nach Geschlechterordnungen und Identitätsentwürfen. Gerade in dieser Spannung zwischen Vertrautheit und Ausgrenzung, zwischen Gemeinschaftsbildung und Abgrenzung, wird die Ambivalenz von „Brauchtum“ und „Tradition“ sichtbar.
Die scheinbar schlichte Formel „Weil es immer schon so war“ wird bis heute von „Traditionsvereinen“ zur Rechtfertigung von Ausschlussmechanismen herangezogen. Sie verleiht bestehenden Strukturen den Anschein von Selbstverständlichkeit, verschließt sie vor Veränderung und stabilisiert Machtverhältnisse.
Der Rekurs auf „Tradition“ wirkt damit weniger als neutrale Beschreibung, sondern als Argumentationsfigur, die Ansprüche auf Echtheit, Authentizität und Schutzwürdigkeit erhebt und damit zugleich Fragen nach Deutungsmacht, kultureller Wertigkeit und politischer wie ökonomischer Legitimation aufwirft.
Auch Bräuche erscheinen als Überreste der Vormoderne, als Inszenierungen einer vermeintlich vergangenen Ordnung und doch erweisen sie sich historisch als dynamisch und elastisch. Sie leben davon, dass sie in Gruppen praktiziert und von diesen immer wieder verändert werden. Diese Ambivalenz macht „Brauch“ zu einem machtvollen, aber auch problematischen Begriff. Einerseits werden Bräuche als erhaltenswert und typisch für bestimmte Regionen inszeniert. Andererseits zeigt sich, dass sie keineswegs statisch sind, im Vollzug können sie neu ausgehandelt, angepasst, transformiert oder auch fallengelassen werden. Beispielsweise im Kontext touristischer Ökonomisierung, etwa beim Krampusrummel in Maurach am Achensee, wo der eigentliche Umzug durch Showelemente, musikalische Darbietungen und eine Aftershowparty im Festzelt ergänzt wird.
Die vorgestellten Überlegungen zu „Tradition“ und „Brauch“ sollen nicht als pauschale Verurteilung der Praktiken verstanden werden, sondern vielmehr als kritische Aufschlüsselung ihrer Funktionsweisen. Entscheidend ist nicht die Frage, ob beispielsweise Faschingsumzüge oder Krampusläufe „gut“ oder „schlecht“ sind, sondern wie diese Praktiken über den Rekurs auf „Tradition“ oder „Brauch“ legitimiert, fixiert und dadurch auch gegen Veränderung abgeschirmt werden.
In der geplanten Veranstaltung wird es daher darum gehen, Praktiken wie Faschings- und Krampusumtriebigkeiten nicht vorschnell in eine konservierende Logik einzuschreiben, sondern ihre Offenheit, ihre Beweglichkeit und ihre Ambivalenzen sichtbar zu machen und trotzdem auch einen kritischen Blick darauf zu werden.
Gemeinsam mit Julia Jenewein, Konrad Kuhn und Staad wollen wir untersuchen, wie Bräuche und Traditionen genutzt werden, um Zugehörigkeiten zu markieren, Grenzen zu ziehen oder Identitäten zu behaupten und wo zugleich Spielräume für Veränderung, Öffnung und kreative Neugestaltung bestehen.
Julia Jenewein studierte Theater, Film- und Medienwissenschaft und Fotografie in Wien. Seit 2020 ist sie freischaffende Regisseurin, Performerin und Kulturarbeiterin. Sie ist im Vorstand des Theater praesent, der Tiroler Kulturinitiativen, Gründerin des Vereins „subvolée" sowie Mitglied der Burschenschaft Furia zu Innsbruck. Sie macht feministisches Theater und entwickelt Performances an der Schnittstelle von Kunst und Aktionismus. Gerne verknüpft sie Subkultur mit Brauchtum und Tradition, um das Beste aus beiden Welten zu vereinen und vor allem die FLINTA-Perspektive ins Zentrum der Erzählung zu rücken.
Konrad Kuhn ist assoziierter Professor für Europäische Ethnologie an der Universität Innsbruck. Zu seinen Schwerpunkten gehören (kritische) Brauchforschung, Kulturerbe, Erinnerungskultur und Wissenschaftsgeschichte der Volkskunde im Alpenraum. Aktuell leitet er das Projekt "Moderne Vergnügungskultur und Ausgrenzungspolitik in Tirol 1918-1948. Forschen - Vermitteln - Gedenken“, das vom Land Tirol und vom Zukunftsfonds gefördert wird und den gedenk.potenziale.preis 2026 gewonnen hat.
Staad ist ein alpines Dark Ambient Projekt aus Innsburck von Lucas Passenberger – live begleitet von immersiven Visuals. Drückende Stürme, erodierter Fels, archaische Rituale, dröhnende Glocken, grollende Hörner und die Rufe verstreuter Seelen. Eine über Jahre gewachsene Sammlung von Field Recordings und historischen Aufnahmen alpenländischer Natur und Folklore wird mit Synthesizerflächen und eigens eingespielter traditioneller Instrumentierung verwoben. So entsteht ein landmalerischer und ritueller Soundtrack, der die Einsamkeit und Strenge der Berge verklärt. Eine Beschwörung der finsteren Seiten der frühen alpinen Besiedlung.
Einlass: 19:00 | Beginn: 19:30
In Anschluss zur Diskussion gibt es ein Konzert von STAAD mit abschließendem Auftritt des Tuiflvereins ContrApunkt in der PMK Lounge-Hölle.