Ohne Theorie keine Revolution Pt.1

Doors 19:00
Start: 19:30
frei(willige Spenden)
TALK: Meinecke, Edlinger, Fritz. SOUND: Hinterhuber & Meinecke
Ohne Theorie keine Revolution TERMIN 1:
Gespräch mit THOMAS MEINECKE (Popliterat/Autor/DJ/Musiker) & THOMAS EDLINGER (donaufestival/Radiomacher/Autor) & MARTIN FRITZ (Autor/Wissenschaftler/Performancekünstler)

Moderation: Martin Fritz
Am Podium: Thomas Meinecke & Thomas Edlinger
DJ-Sets: Thomas Meinecke & Christoph Hinterhuber

Mit der Veranstaltungsreihe OHNE THEORIE KEINE REVOLUTION soll eine überschaubare Bandbreite an pop-relevanten Themen, in nicht gänzlich ausformulierten aber keineswegs beliebigen Sondierungversuchen, ausgestellt werden. Popkultur als reines Aufschreibesystem betrachtet, speichert im Strudel der Geschichte seine Phänomene, Wissensbestände und ritualisierten Praktiken, auf die ein ständiger Zugriff stattfindet, sodass ihre Archivierung - so scheint es - in einer Eliminierung von Zeit und Raum verfließt. Transkulturelle Teilsubjektivierung findet als ein Hereinbrechen der Digitalisierung in wunderschönen hybriden Formen ihren Ausdruck. Speziell über die sich pop-geschichtlich verfestigte Taping- und Sampling-kultur werden vormals monolithisch gewachsene Einheiten zu popkulturellen Dispersionen. Könnte man das Bejahen dieser Kräfte bereits als emanzipatorische Transformation begrüßen, oder ist es lediglich das altbekannte Abfeiern der Oberfläche? Die Frage der Selbstermächtigung ist eine der essentiellen Fragen der intellektuellen Pop-Verstehen-Woller und Innen. Man sollte sich nicht die Hoffnung machen, dass Fragen dieser Art auf der Veranstaltung beantwortet werden. Das Ideal des mehrteiligen Kränzchens wäre eher ein reflektiertes und deshalb produktives Scheitern anhand der großen Fragestellungen.

So verspricht uns Techno und Rave Musik (die Ideale der Anfangszeit) eine Form der Unio Mystica - rhythmische Gleichschaltung und Demokratie? - jacked bodies und synchronisierte Gehirnwellen im auffriesierten Hippie-update die auf der Tanzfläche in aufgeladene Teilchen verwandelt werden.

Hip-Hop bewegt auch Körper, ja! In seinen Anfängen war Hip-Hop ein reines Subkulturphänomen, das seinen Ausgang in den 1970er Jahren in der New Yorker Bronx nahm und im Zuge der Entwicklung nicht zu trennen ist von emanzipatorischen Ansprüchen der schwarzen Unterschicht. Heute befinden wir uns in einer kaum zu übersehbaren Wirkkraft und globalen Präsenz dieser kulturellen Großmacht. Eine aktuelle Studie des Branchendienst Nielsen zeigt, dass Hip-Hop und Rnb zum ersten Mal in Sachen Streaming und Verkaufszahlen Rock überholt haben. Mit Dr. Dre gibt es gar einen Milliardär! im Game - und der Rapper Kendrick Lamar ging in der Amtszeit von Obama im weißen Haus ein und aus. Auf diesem Hintergrund könnte man sich die Frage stellen, welchen Sinn es noch macht eine politische Agenda oder gar ein Revolutionsdenken im Hip-Hop zu skandieren? Staiger, eine der wichtigsten Schanierfunktionen zwischen Hip-Hop und Politik im deutschsprachigen Raum (er versteht sich selber als Marxist) bezweifelt dass die Rolle von Rap eine revolutionäre sein könne/müsse. Hip-Hop könne meist “nur” Bestandsaufnahmen machen, soll heissen die Welt in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit und Schlechtigkeit abzubilden.

PopPopPop.
Müsste man sich nicht immer wieder die Frage stellen was den Menschen hinter den Wänden, aus denen dröhnende Beats auf die Straßen dringen, mit ihrer Musik meinen, fühlen oder verstanden wissen wollen. Gibt es noch eine politische Partykultur, bzw. haben diese Formate - von rappenden Individuen die im Rampenlicht meist Bestandsaufnahmen ihrer Beobachtungen skandieren oder Einzelgängern die hinter Plattenspielern und Soundmaschinen aus dem Archiv der unendlichen Sample-Ansammlung des Ersatzteillagers unserer Musikgeschichte das Publikum zum exzessiven Tanzen auffordern - noch transversale Agenden? Oder hat sich diese im molekular gewordenen Kapitalismus so zerbröselt und in monadische Appendizes jenseits von Raum und Zeit einer Partylocation verstohlen?

Technomusik hat sich globalisiert, von den früheren Bestrebungen im Kontext technologischer Entwicklungen und der Entdeckung des Cyberspace Entsubjektivierungsprozesse und die temporäre Aushebelung eines Zeitkontinuums anzustreben, wie in britischen Underground-Clubs, bis zum Streben nach einem neuen schwarzen Selbstbewusstsein als Gegenstrategie gegen Reagan’scher Politik im Rostgürtel der USA. Hip-Hop und die als ihre Begleiterscheinung auftretenden Kulturtechniken des Graffitis oder des Breakdancen dienten der Individualisierung und Generierung von Autorenschaft zu urbanen Wertgesetzen. Als Psychotopologien dienten dieserart Strategien der Suche nach neuen “Räumen” (geographische, soziale, kulturelle und imaginäre) die potentiell als autonome Zonen erblühen könnten und Individuationen zulassen die man bis dahin nur imaginieren wollte.

Man hat sich von den früheren einfachen Codes und reduzierten Gestaltungsmitteln der Musik umtransponiert zu komplexen Soundwolken die aus einer Form von Art of Noise zu neuen Sounds generiert werden. Gibt es in diesen (Pop)Kulturen noch dividuelle Agenden?

Projektleitung: David Prieth, Rene Nuderscher, Maximilian Thoman, Maurice Kumar
Nach einer Idee von Ulrike Mair

gefördert von der Stadt Innsbruck und dem Land Tirol im Rahmen von "stadt_potenziale 2017" und "TKI open 2017"