the times they are a-changin’

come gather around people, wherever you roam
and admit that the waters around you have grown …
bob dylan

die vorgeschichte.
in letzter zeit macht es mir spass, mit märchenfiguren zu experimentieren. angesichts der tatsache, dass nicht unrelevante wahlen vor der tür stehen, deren ausgang, und in folge deren auswirkung zu redaktionsschluss für das vorliegende p.m.k november/dezember programm nicht im entferntesten absehbar waren, andererseits helloween und weihnachten vor der tür stehen, hab ich beschlossen, statt welt- oder kulturpolitschen einschätzungen diesmal schlicht und einfach eine art weihnachtsgeschichte zu schreiben. ursprünglich wollte ich auf die diesjährige zeitschrift nu:j – zeitschrift für junge kultur in südtirol näher eingehen. dieses 96 seiten starke heft wird von der südtiroler landeskulturabteilung jährlich mit der zielsetzung herausgegeben, sichtbarkeit und wertschätzung für die junge kultur des landes zu steigern. neben interessanten beiträgen über innovative südtiroler kulturprojekte aus den verschiedensten sparten wurde dabei erstmals auch nach nordtirol geschielt. und so kann man darin nicht nur die äusserst spannende entstehungsgeschichte des radio freirad nachlesen, das ja auch dieser tage wieder bei uns sein bestehen feiern wird, oder über einen legendären auftritt des traurigen tropen orchesters, bei uns ebenfalls ein gern gesehener gast, im tiefsten südtiroler wald bei strömendem regen. auch der p.m.k wird darin ausreichend platz eingeräumt. es freut mich wirklich besonders, dass dies seitens der redaktion mit der absicht geschah, die p.m.k aufgrund ihrer einzigartigen und über so lange jahre schon erfolgreich funktionierenden struktur als eine art vorzeige- bzw. vorbildinsitution darzustellen, um damit kulturschaffenden vor ort rückenwind und motivation zu geben, sich in diese richtung mehr zu engagieren. und das immerhin von höchster südtiroler landeskulturstelle. das gesamte heft wird demnächst als download unter www.provinz.bz.it/nuj verfügbar sein, und wer es „leibhaftig“ in händen halten will, kann es bei uns im p.m.k office bekommen.
als ich mich dann wie immer zum tatsächlichen schreiben, in diesem falle über den p.m.k artikel in besagter südtiroler publikation, in klausur begab, den computer herauf gefahren hatte und endgültig beginnen wollte, just in dem moment geschah etwas erstaunliches. etwas derart erstaunliches, etwas, mit dem, so denke ich, vermutlich kein mensch auf der ganzen welt gerechnet hat: just in dem moment wurde bekannt gegeben, dass bob dylan der nobelpreis für literatur – ich wiederhole: der literaturnobelpreis –
von der dafür zuständigen schwedischen akademie verliehen wurde. erst hab ich es gar nicht glauben wollen und dachte an einen fake der tagespresse. strange, dachte ich mir im ­zweiten augenblick, genreübergreifend im dritten, aber je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr verwirrte mich diese tatsache. ausgerechnet mich, die sich seit jeher für „genreübergreifung“ einsetzt, diese gemeinsam mit euch allen jahrelang ja geradezu zelebriert habe in der p.m.k, ich war dermassen baff und begann zu recherchieren. und was mich dann noch „baffer“ machte war, was ich dabei herausfand: unter schwedischen wissenschaft­lerInnen ist es seit ungefähr 15 jahren so etwas wie ein heimlicher sport, in sämtlichen wissenschaftliche publikationen so viel bob dylon zitate wie möglich einzubauen. 15 jahre, das ist in etwa so lange, wie lange es die p.m.k schon gibt. „the answer my friend is blowing in the wind“…, „nein“ dachte ich, der föhn ist es nicht … „everybody must get stoned“... „nein“ dachte ich mir, das kann es auch nicht sein … ich, die ich mir zusammen mit meinen freundin­nen seit wir auf facebook sind, gelegentlich einen heidenspass daraus mache, klassische griechische und lateinsche weisheiten zu verfälschen und diese als hölderlinzitate zu verkaufen. man glaubt gar nicht, was allein das für reaktionen, selbst unter literaturkennerInnen, hervorgerufen hat. wie auch immer. jedenfalls war eines klar: diese kolumne musste dem ganzen irgendwie rechnung tragen, diese kolumne konnte beim besten willen nicht irgendetwas erwartbares sein und so kam es, dass zwar immer noch niemand weiss, wie rumpelstilzchen wirklich heisst, dornröschen aber eine entscheidende rolle dabei spielt …

die eigentliche geschichte.
ich wundere mich immer wieder, wie viele expertenInnen es gibt. für alles. alles pronto. und alles ist dabei ja so unendlich kompatibel. glauben die. und billig. und eins und eins gratis. und alles in einem. ichInnen, wohin das auge blickt. ist das überhaupt schon mal wem aufgefallen? oder haben sie schon einmal ein kuvert zugeklebt? eins und eins? gratis noch eins dazu? und haben sie schon mal überlegt, warum sie so gerne nach bibione damals auf urlaub gefahren sind? oder war es doch caorle oder ligniano? hätten sie sich träumen lassen, dass eines ihrer kinder lieber im dunklen wald mit rotkäppchen, hänsel und gretel und gar mit der kranken grossmutter gespielt hätte oder vielleicht mit den sieben geisslein, als bei glühender sonne andauernd den gleichen sand zu sieben? nein, selbstverständlich waren sie hauptsächlich in venedig, der tide wegen, die kommt ja biennalisch, oder sollte man vielleicht sagen, triennalisch … also ebenerdig.

haben sie schon mal überlegt, warum sie krimis mögen? zu wenig sich selbst ins schienbein getreten und vielleicht sich das gar nicht einmal getraut? na so im sinne von amoklauf? das wär doch wirklich mal was für ihre synapsen! oder guantanamo spielen? so ganz richtig?

und wie war das nochmal mit weihnachten? kam da wer zur welt oder braute sich da was zusammen? ein tannenbaum oder eher eine notschlafstelle mit komet? und irgendwas war da doch mit grenzen. ich kann mich nicht mehr richtig erinnern, war das vor oder nach dem weltkrieg, irgendwer jedenfalls hat nicht richtig aufgeräumt. da gab es noch orte, die hatten irgendwie sowas wie einen eigenen zaun. zaun. was für ein witziges wort. grenzüberschreitend sozusagen.

die geschirrspülmachine indessen wünschte sich ein weihnachtskind. nein eigentlich wollte sie ein neujahrsbaby. alles neu. alles weiss. alles rein. wie gerade eben erst frisch gebacken und selbstverständlich einen espresso gleich mit inbegriffen. die geschirrspülmaschine hatte allerdings nicht mit rotkäppchen, den sieben geisslein und der kranken grossmutter gerechnet. sie vertraute auf den bösen wolf und wusste nicht einmal, dass es hinter den sieben bergen überhaupt sieben zwerge gibt. dement nannten das die sieben geisslein und lachten sich ins fäustchen. sie machten selfies ohne unterlass. indessen knallten die ohrstöplsel durch und donröschen dachte immer noch es handle sich um ein konzentrationsstüberl.

„nein“, sagte schneewittchen, „das ist kein konzentrationsstüberl, das ist ein spiegelkabinett!“ warum das ein spiegelkabinett sein sollte, wusste vorerst niemand. eines tages aber kam die jury. die jury, die die böse hexe immer wollte. die unabhängige, die wissende, die weissagende, die allmächtige, sagt mir grad der böse wolf ins ohr.

gut.

die geschirrspülmaschine war von allen sinnen. und schon wieder konnte der böse wolf nicht aufhören sich einzumischen: „rotkäppchen, warum gehst du überhaupt dauernd zur kranken grossmutter?“ schrie er. hänsel und gretel wussten auf einmal nicht mehr, wo sie die böse hexe noch suchen sollten, so laut hallte es durch den finsteren wald. expertenInnen kamen und sagten nach bi- tri- und sonstigen -nalen aus, dass die stützpfeiler venedigs aus seltsamem holz gemacht seien. anders könnten diese unter wasser nicht so lange überleben. die sieben geisslein machten während dessen weltmodelle aus pappmasche oder sonstigem weniger wiederverwertbarem und hofften, dass irgend eine akademie dereinst auch einmal auf sie aufmerksam werden würde.

irgendwas stimmt mit der verdauung nicht dachten sich die weihnachtskugeln und begannen in allen nur erdenklichen farben zu glänzen. sie nahmen brav leinsamen ein, geschrotet selbst­redend, machten fitness, rannten aus und ein. wieder für und für zum kranken grossmütterlein. sie mochten zwar die leuchtenden sterne, aber irgendetwas mochten sie nicht. hänsel und gretel ­kamen hurtig des weges. sie hatten ein gps dabei. die sieben zwerge sammelten während dessen pilze mit einer riesigen taschenlampe. „seid ihr nachtblind?“ fragte gretel die sieben zwerge, „der wald leuchtet, auch wenn kein mond scheint!“

„nein. hier leuchtet nix. bald ist weihnachten.“ sagte der böse wolf. diesmal schrie er nicht, er hatte nämlich kreide gefressen, um sich bei den sieben zwergen einzuschmeicheln. rotkäppchen frech, versehentlich dazugestossen, etwas errötet, fragte verwundert: „ja sagts amal. ihr habt alle ein gps und riesige taschenlampen und verirrt euch trotzdem dauernd?“
die böse schwiegermutter hatte indessen das grosse los gezogen. sie hatte im fussballlotto gewonnen und wollte gutes tun. sie adoptierte kurzerhand die sieben zwerge und wohnte von nun in einer grossen villa, aus der die sieben zwerge tag aus tag ein fröhlich herausströmten mussten. die sieben zwerge allerdings wollten singen und nicht strömen. volk ja, aber bitte nicht hämmerlein. was soll der böse wolf denn dazu sagen? die geschirrspümaschine, inzwischen zum stillstand gekommen wusste es auch nicht.

na gut, dann sagen wir halt töchterleinInnen schlug das kluge rumpelstilzchen vor. „nein“ sagten alle, „wir sind incognito.“ „okay incognito“ sagte dornröschen: „aber wenn ihr mich dann nach hundert jahren nicht aufweckt, dann lass ich mich nicht von einer spindel stechen.“ der böse wolf war empört. er liess sich testo­steron spritzen. das mit der kreide schien ihm denn doch etwas zu unglaubwürdig.

indessen kam die jury auf den gedanken, genreübergreifend einzugreifen. still und heimlich machte sich aber auch eine riesige zahl von kleinen und grossen weihnachtskugeln auf den weg. die sieben zwerge allerdings waren in ihrem neuen heim auch nicht untätig. sie sagten allen es wäre helloween. „verkleidet euch kinder, dirndl und lederhosen diesmal! bitte bitte!“ das war nicht unerhört. die böse hexe nämlich hatte schon längst ihr lebkuchenhaus vorausgebacken. „kommet ihr kinderlein, kommet! hier ist lebkuchen fein. werft euere wünschlein ein!“

an dieser stelle mussten die heiligen drei könige dringend einschreiten. wie immer hatten sie ihre gaben nicht vergessen. wie hiessen die nochmal? „mit gold kann ich nix anfangen!“ rief rotkäppchen verstört in den bitter kalten wald. hänsel war gar klamm zumute: „gebt mir wenigstens die myrrhe!“ gretel lachte sich schief und nahm den weihrauch. damit werde ich der bösen schwiegermutter eins auswischen, dachte sie.

nichts desto trotz kam der grosse bär. er wusste zwar auch nicht woher, aber er kam. „oh ein lebkuchenhaus. lecka schmecka. viele fleissige bienlein gehen da aus und und ein! was mag das für ein knusperhäuschen sein?“

„beim hofer ist es besser und billiger!“ rief rumpelstilzchen. es tanzte wie verrückt schon die ganze nacht im feuer herum und war ganz ausser rand und band. „ach wie gut dass niemand weiss, dass ich rumpelstilzchen heiss!“ rief es zum tausendsten male. „nein, eins und eins gratis!“ riefen ochs und eselein verzweifelt. „du halt amal endlich di pappn!“ schrien die sieben geisslein, entgegen ihrer sonstigen art waren sie schon ganz zornig geworden. „dir ­haben wir zu oft schon geglaubt. dir hören wir nicht mehr zu. zuhören ist was für die sieben zwerge!“ da aber wurde die böse schwiegermutter wirklich böse und weckte dornröschen auf. „was?“ sagte dornröschen, nach dem erstkaffe, „was? die haben echt den bösen wolf geklaut?“ und so lebten alle glücklich bis ans ende ihrer tage und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute …

ich hoffe, diese geschichte hat euch beim lesen genauso viel spass gemacht wie mir beim schreiben. so lustig ist die in wahrheit allerdings gar nicht. zu hoffen bleibt auch, dass wir für die nächsten hundert jahre nicht alle dornröschen spielen müssen. andererseits, auch wenn uns die so called stillste zeit im jahr bevorsteht, muss das ja nicht bedeuten, dass immer alles gleich tierisch ernst genommen werden muss. wenngleich man sagen kann, dass es so ganz untierisch ernst denn auch wieder nicht ist. die schwedischen akademie hat es uns jedenfalls bei der verleihung des diesjährigen nobelpreises für literatur vorgemacht. bleibt mir noch, euch viel freude mit dem kommenden programm in der p.m.k zu wünschen und natürlich ein schönes weihnachtsfest und zu guter letzt einen guten rutsch in ein hoffentlich friedliches und erfülltes neues jahr!

ulli mair