Erstaunliche Erkenntnisse aus Wikipedia
Das Wort „Kultur“ ist eine Eindeutschung des lateinischen Begriffs cultura, der eine Ableitung von lateinisch colere, „pflegen“, „urbar machen“, „ausbilden“, darstellt. Auch die Begriffe „Kolonie“ und „Kult“ haben denselben Ursprung. „Kultur“ ist in der deutschen Sprache seit Ende des 17. Jahrhunderts belegt und bezeichnet hier von Anfang an sowohl die Bodenbewirtschaftung als auch die „Pflege der geistigen Güter“. Heute ist der landwirtschaftliche Bezug des Begriffs nur noch in Wendungen wie „Kulturland“ (für Ackerland) oder „Kultivierung“ (für Urbarmachung) verbreitet, in der Biologie werden jedoch auch Zellkultur und Bakterienkultur mit verwandter Bedeutung benutzt. Im 20. Jahrhundert wird kulturell als Adjektiv gebräuchlich jedoch mit deutlich geistigem Schwerpunkt …
Etymologisch entstammt das lateinische Wort colere der indogermanischen Wurzel kuel- für „[sich] drehen, [sich] wenden“, so dass die ursprüngliche Bedeutung wohl im Sinne von „emsig beschäftigt sein“ zu suchen ist …
Auf Kant geht die Entgegensetzung von „Kultur“ und „Zivilisation“ zurück. Einzig im deutschsprachigen Raum hat sich der Gegensatz „Kultur“ und „Zivilisation“ entwickelt, während beispielsweise im englischen Sprachraum lange Zeit nur ein Wort für „Kultur“ (civilization) genutzt wurde. Erst seit einigen Jahrzehnten findet sich auch culture häufiger, ohne dass hiermit jedoch auf einen Gegensatz zu civilization Bezug genommen würde. Die früheste Formulierung dieses Gegensatzes stammt von Immanuel Kant:
„Wir sind im hohen Grade durch Kunst und Wissenschaft cultivirt. Wir sind civilisirt bis zum Überlästigen, zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber uns für schon moralisirt zu halten, daran fehlt noch sehr viel. Denn die Idee der Moralität gehört noch zur Cultur; der Gebrauch dieser Idee aber, welcher nur auf das Sittenähnliche in der Ehrliebe und der äußeren Anständigkeit hinausläuft, macht blos die Civilisirung aus.“
„Zivilisation“ bedeutet also für Kant, dass sich die Menschen zwar zu einem artigen Miteinander erziehen, Manieren zulegen und ihren Alltag bequem und praktisch einzurichten wissen und dass sie vielleicht durch Wissenschaft und Technik Fahrzeuge, Krankenhäuser und Kühlschränke hervorbringen. All dies reicht jedoch noch nicht dafür, dass sie „Kultur haben“, wenngleich es der Kultur dienen könnte …
Systemtheoretischer Ansatz
Für den Systemtheoretiker Niklas Luhmann beginnt geschichtlich gesehen Kultur erst dann, wenn es einer Gesellschaft gelingt, nicht nur Beobachtungen vom Menschen und dessen Umwelt anzustellen, sondern auch Formen und Blickwinkel der Beobachtungen der Beobachtungen zu entwickeln. Eine solche Gesellschaft ist nicht nur kulturell und arbeitsteilig aus in einem hohen Maße in Experten ausdifferenziert, sondern hat auch Experten zweiter Stufe ausgebildet. Diese letzteren untersuchen die Beobachtungsweisen der ersteren und helfen diese in ihrer Kontingenz zu begreifen, d.h. erst jetzt werden die Inhalte von Kultur als etwas Gemachtes aufgefasst und nicht als eine dem Menschen gegebene Fähigkeit. Kultur wird damit de- und rekonstruierbar.
Kultur als Bewältigung
Dass mit Kulturleistugen nicht nur Nöte bewältigt werden, sondern mit ihnen eine Freude am Entdecken, am Erfinden und Schaffen von Neuem einhergeht, die nicht auf einen unmittelbaren Nutzen zielt, das ist die Lust an Innovation, lässt sich gut ablesen am Werk des Kulturphilosophen Ernst Cassirers und dessen Auseinandersetzung mit der Renaissance. Hierbei ist vor allem zu bedenken, dass gerade technische Neuerungen in der Rennaissance nicht allein der besseren Bearbeitung der Natur dienten und also der Befriedigung grundlegender Bedürfnisse, sondern zu einem grossen Teil in der Kunst zum Einsatz kamen.
Formgebung und Ordnung von zufällig und unstrukturiert Gegebenem
Funktionalistische Theorien, die alles Tun des Menschen auf sein Überleben hin interpretieren, übergehen den sinngebenden Charakter menschlicher Kulturtätigkeit. Kultur dient nicht nur der Befriedigung elementarer Bedürfnisse, sondern sie schafft auch Sinnstrukturen und Ordnungssysteme, die dem zufällig (Kontingenten) und ungeordnet Gegebenen einen Ort in der Welt des Menschen verschaffen. D.h. der Mensch versucht im Prozess der Kultur dem Zufälligen und Ungeordneten eine Struktur zu geben, es wiedererkennbar, symbolisch kommunizierbar oder nutzbar zu machen. Dabei ist Kultur gegenüber den Ansprüchen und Herausforderungen, denen sich der Mensch gegenüber sieht, stets im Verzug, sie ist nachträgliche Kontingenzbewältigung …
Einbindung in stets schon vorhandene Sinnstrukturen und Formverhältnisse
Werden außergewöhnliche Ereignisse kulturell vom einzelnen Menschen oder einer Gruppe verarbeitet, so findet dies nicht im luftleeren Raum statt. Zur Bewältigung werden tradierte Sinn- und Formverhältnisse, Denkweisen und Praktiken herangezogen, die aber ihrerseits kontingent sind, d. h. nicht notwendig für alle menschlichen Kulturen genau in dieser Form entstehen mussten. Damit kann keine allgemeine und für alle menschlichen Lebensgemeinschaften gleich verlaufende Kulturentwicklung nachgezeichnet oder vorausgesagt werden. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass selbst Symbolsysteme mit universalem Anspruch wie die Mathematik in unterschiedlichen Kulturen verschiedene Ausprägungen erfahren haben.
Ausbildung von Institutionen
Kultur besteht nicht nur aus sprachlich festgeschriebenen Strukturen des Verstehens und der Objektivität, sondern auch aus geschichtlich handelnden und leidenden Menschen. Nicht alles Tun des Menschen ist aber schon kulturelle Praxis. Damit diese entsteht bedarf es einer Gruppe von Menschen, die gemeinsam und regelmäßig für sie bedeutsame Handlungen ausführt. Verfestigen sich das Tun auf diese Art zu Ereignissen, die regelmäßig wiederholt werden oder Orten an denen die Praxen gemeinsam durchgeführt werden, spricht man auch von Institutionen. Institutionen sind Orte des menschlichen Handelns beispielsweise in Form von Arbeit, Herrschaft, Recht, Technik, Religion, Wissenschaft und Kunst. In Institutionen vollzieht sich die Differenzierung dieser Praxen, zugleich entwickeln sie unabhängig von anderen Institutionen ihre eigenen Werte …
Kultur als Praxis und Kultur als Bedeutungszusammenhang
Wird Kultur unter dem Gesichtspunkt der praktischen Handlungen und des Kulturgeschehens betrachtet, so stellt dies auch ein gewisses Gegengewicht dar zu Auffassungen, welche Kultur in erster Linie (oder ausschließlich; Kulturalismus) als Sinnsystem von symbolischen Codes verstehen und in ihr einen lesbaren Text sehen. So ist Kultur nicht nur ein Gewebe von Bedeutungen, sondern diese bedürfen einer Ausübung, um sich zu erhalten und fortzusetzen. Dabei können jedoch auch gerade durch die Ausübung neue Sinnzusammenhänge entstehen oder alte sich abschleifen, als unpassend oder unbedeutend empfunden werden. Im Zurückgreifen auf kulturelle Symbole, Sinn- und Handlungszusammenhänge, die in der Ausübung jedoch nie gänzlich verwirklicht werden können, ergibt sich ein Wechselspiel das die Kultur in lebendiger Bewegtheit hält: Auch aus dem Zufälligen und Ungewollten entsteht Neues …
Zitate aus Wikipedia.
Ulli Mair