Offen und Herrlich oder der ganz normale Wahnsinn

Eigentlich wollte ich über unser jährliches Strassenfest schreiben. Darüber, dass wir uns jetzt schon darüber Gedanken machen, wie wir das nächste Mal den nicht enden wollenden Besucheransturm besser in den Griff bekommen wollen, und das, obwohl jedes, ich wiederhole, ausnahmslos jedes Jahr irgendwann im Laufe des Abends der Punkt erreicht ist für das fast schon traditionelle „NIE WIEDER“! Ich wollte darüber schreiben, wie unsere Nerven bereits Wochen vorher blankliegen, wie wir uns ertappen, bereits 14 Tage vorher nahezu stündlich diverse Wettervorhersageseiten aufzurufen, und darüber, dass uns die vereinigten Wettergötter und -göttinnen bislang immer noch gnädig gestimmt waren, obgleich wir sicher einmal täglich besprechen, was wir machen, wenn das Wetter ausnahmsweise einmal nicht mitspielt.

Ich wollte darüber schreiben, wie aus einem an sich klein angedachten Eröffnungsfest am 22. Juli 2004, wo wir lediglich die Benutzung des Gehsteigs und des vor der p.m.k befindlichen Parkstreifens beantragt haben, und uns innerhalb kürzester Zeit die 20 Kisten Bier ausgingen, von denen wir naiverweise gedacht haben, dass sie für den gesamten Abend ausreichen würden, wie also aus einem klein angedachten Eröffnungsfest allmählich so etwas wie ein Stadtteilfest wurde, das aus dem Festkalender der Stadt Innsbruck nicht mehr wegzudenken ist, und das mittlerweile weit mehr als unser übliches Publikum, um nicht zu sagen Publikumsmassen, aus den unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten anzieht. Ich wollte schreiben über all jene kleinen bis mittleren Katastrophen hinter den Kulissen, von denen auszugehen ist, dass sie mit felsenfester Sicherheit garantiert nicht ausbleiben, und die wir so gut es geht vor Ort dergestalt zu handeln versuchen, dass unsere Gäste davon nichts mitbekommen. Über den Behördenkram wollte ich schreiben und die mündlichen Verhandlungen, in die über zehn Ämter und Behörden involviert sind, und über die unzähligen Verordnungen und Bescheide, die ganze Aktenordner füllen. Und natürlich über die – zugegeben nicht ganz umstolze – Aufregung, wenn die ersten Schilder zum Absperren der Strasse vom städtischen Bauhof angeliefert werden, um nicht zu vergessen, über jenen nahezu magischen fast heiligen Moment, wenn die erste Strassenbahn umgeleitet wird und damit mit unumstösslicher Gewissheit endgültig feststeht, dass die Strasse von nun an eine Nacht lang ausschliesslich uns gehört.

Auch nicht zu verachten ist das erschöpfte Gefühl der Erleichterung, wenn in den frühen Morgenstunden die erste Strassenbahn wieder ungehindert hupend und winkend vorbeifährt, nachdem wir sämtliches Equipment abgebaut sowie Tonnen von Müll zusammengekehrt und irgendwie so gut es geht verstaut haben. Diese erste Strassenbahn ist so etwas wie der untrügliche Garant dafür: Es ist vorbei, wir haben es geschafft, es ist – dreimal auf Holz geklopft – nichts gröberes passiert, und es ist niemand zu Schaden gekommen. Ich wollte aber auch darüber schreiben, welch grandiosen first class Job insgesamt unsere p.m.k-Family jedes Mal abliefert, wo ein Rädchen reibungslos ins andere greift – und das obwohl niemand dabei nur annähernd einen Groschen verdient. Um ehrlich zu sein, dieser Umstand ist bei allem sonstigen Wahnsinn, den dieses Offen und Herrlich zwangsläufig jedes Jahr mit sich bringt, dieser Umstand ist für mich das Schönste am ganzen Fest und erfüllt mich jedes Mal aufs Neue mit wirklicher Freude und mit Recht mit dem erhebenden Gefühl des „wir können mächtig stolz auf uns sein“. Weniger erhebend dagegen ist die Tatsache, die sich genauso jährlich wiederkehrend einstellt, dass nach erfolgter Abrechnung einmal mehr die erhoffte Aufbesserung des p.m.k-Budgets ausbleibt, weil der Aufwand im Verhältnis zu den Einnahmen so teuer ist, dass wir froh sein können plus minus auf Null auszusteigen und nicht in ein sattes Minus zu rutschen. Aber so ist es nun mal. Ganz zu schweigen von der mehr als ärgerlichen Vorschrift, dass die Musik im Freien nur bis 22 Uhr gestattet ist, der Besucherandrang aber erst danach so richtig vehement einsetzt und man mit Fug und Recht bei nüchterner Betrachtung der Sachlage aufdie Idee kommen könnte, statt all der aufwändigen und kostspieligen Bühnentechnik einfach einen Lautsprecher aufzuhängen, weil die Leute offenbar ohnehin nicht wegen der Musik zu kommen scheinen, sondern einfach nur eine Sommernacht im Freien mit Freunden verbringen wollen. Man mag es drehen und wenden wie man will, ich wollte auch darüber schreiben, dass Eines jährlich genauso so sicher ist wie das p.m.k-Amen im Gebet: Es dauert nie allzu lange, bis das traditionell obligatorische „NIE WIEDER“ einem „IM NÄCHSTEN JAHR MACHEN WIR ALLES NOCH BESSER“ weicht.

Über all das wollte ich eigentlich schreiben. Aber als ich mir den gesammelten Offen und Herrlich Wahnsinn in meinem Kopf noch einmal Revue passieren liess, ist mir ein Text unter gekommen, den ich einen Tag vor dem heurigen Strassenfest geschrieben habe, um mir die nervöse Anspannung quasi vom Leib zu tippen, und der mir immer noch so gut gefällt, dass ich ihn euch nicht vorenthalten möchte.

Voila: Barfuss mit gestohlenen Crocs im Hippiealtersheim, subventioniert von der Guatanamo Wiedergutmachungsfoundation, die Kinesen werfen Kirschblüten auf mobile Postbusse und die IntegrierInnen winken am Wegesrand, weil ihre Geschlechtsumwandlung so wunderbar gelungen ist … Kinder streuen Blumenblätter van der Alpenrose mit Zirbenduft gegen verdünnte Pisse … El Ninjo fährt auf als Zebra verkleidet und teilt Muttertagsgeschenke aus … Karl Heinz Lagergeld magert ab und richtet von der Urne Linda Evangelista aus, sie solle sich Algenhandschuhe anziehen … die Stewardessen üben im Grand Hotel Busenoperationsgrinsen … die Freiwillige Feuerwehr teilt Pflaster aus, plötzlich kann sich niemand mehr erinnern, wo seine Diamanten hin verschwunden sind, aber dann geht ein Kanalgitter im Apfel auf, aufsteigende Mondbesetzung. Es winkt die Freiheitsfrau im Wind … nur die Lebensmittel sind etwas grösser als gewohnt … der Banker wundert sich, kein Turm mehr da … Biene Maja flutscht beruhigend näher, bestäubt Godzilla … es passiert etwas wunderbares: Pinguine stehen aufrechtens mit einem Schild in der Hand: Parken verboten … die Parkverbotsaufschreibefrau geht mit dem Kaminkehrer zum Friseur … Herrenfriseur wohlgemerkt … der Löwe grunzt wie der Walopa … schaut zu und denkt sich: Darling come down and think about: this is only a party! „heart“-Emoticon 2 Min · Gefällt mir

Offen und Herrlich: Einmal Wahnsinn – Immer Wahnsinn, oder um es anders zu formulieren: NACH Offen und Herrlich ist VOR Offen und Herrlich! (und den Damen sei dazu gesagt: Dämlich wäre in diesem Falle wirklich ungerecht gegendert …) So what. Let’s start the great p.m.k-Herbstprogramm and you can be sure, that in the meantime we are thinking a lot about Offen und Herrlich 2016.

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Ulli Mair